Samstag, 9. August 2025

Atwood, Margaret "Der Report der Magd"

Atwood, Margaret "Der Report der Magd" (Englisch: The Handmaid's Tale) - 1985

Der Report der Magd. Eine junge Frau namens Offred erzählt uns die Geschichte von Gilead, einem Land in der Zukunft, das in einem Teil der heutigen Vereinigten Staaten von Amerika liegt. Katastrophen müssen zu diesem Zustand geführt haben, sicherlich eine ökologische Katastrophe, aber auch eine Revolution, die die Situation verursacht hat, in der die Menschen des Romans sich befinden. In gewisser Weise herrscht eine Diktatur wie in mosaischen Zeiten. Die fruchtbaren jungen Mädchen werden zu einem älteren Mann geschickt, dessen Frau keine Kinder bekommen kann, wie Hagar, die Magd, die Sarahs Mann Abraham gebracht wurde, um ihm Kinder zu gebären. Viele Abschnitte ihres Lebens sind nach biblischen Figuren oder Ereignissen benannt.

Wir erfahren nie den Namen der Erzählerin; sie möchte einfach nicht, dass ihn jemand erfährt, so dass sie an ein anderes Leben glauben kan, an einen anderen Ort, an den sie zurückkehren kann, nachdem all der Schrecken ihres Lebens vorüber ist. Ich wunderte mich über den seltsamen Namen, den die Autorin unserer Protagonistin gab, bis ich auf die nächsten Damen stieß, die alle einen ähnlichen Namen trugen. Offred = Of Fred (Von Fred). Klingt wie ein Männertraum, in dem alle Frauen ihren Namen tragen, als wären sie ihr Eigentum …

Ich weiß gar nicht mehr, was ich dachte, worum es sich in diesem Buch handeln sollte. Ich hätte jedenfalls nicht gedacht, dass es ein dystopischer Roman sein könnte. Ich mag solche Geschichten lieber als die utopischen. Ich kann nicht an eine glorreiche Zukunft glauben, in der alle friedlich sind und niemand leiden muss. Geschichten über Welten, die aus den Fugen geraten sind, wirken viel realistischer, besonders heutzutage.

Der Teil mit der Zucht erinnerte mich an Hitlers Geburtsanstalten "Lebensborn", in denen er "reine" Arier züchten wollte. Hier wollen sie nur menschliche Wesen züchten, die offenbar zum Problem geworden sind. Sie wissen auch, was mit Menschen zu tun ist, die sich nicht fügen oder anderweitig nutzlos sind. Ihre Konzentrationslager werden "Kolonien" genannt, und die Menschen werden dorthin geschickt, um in verseuchten Gebieten zu arbeiten, wo sie langsam, aber sicher sterben werden.

Der biblische Teil hat mich schon vor mehr als einem Jahrzehnt eher an die aktuellen Entwicklungen in den Vereinigten Staaten erinnert. Interessant, wie Margaret Atwood das vor vierzig Jahren schon vorhersehen konnte. Jedes Gesetz, jede Regel, alles muss der Bibel entsprechen, alles, was nicht der Bibel entspricht, ist böse. Ich kann mir gut vorstellen, dass im Falle einer großen Katastrophe solche Leute versuchen werden, die Macht zu übernehmen, und dass sich daraus eine Diktatur entwickeln könnte, die der beschriebenen nicht unähnlich ist.

Was mir an dem Roman außerdem sehr gut gefallen hat: Auch wenn er verlockend sein mag und Offred tatsächlich von einer besseren Welt träumt, hegt sie keine unrealistischen Hoffnungen, dass diese jemals Wirklichkeit wird. Nichts ist durch eine rosarote Brille geschrieben.

Ja, eine wundervolle Geschichte, gut erzählt, mit einem Wechsel zwischen Vergangenheit und Gegenwart, einem interessanten, aber nicht vorhersehbaren Schluss. Ich war begeistert vom Stil. Ich habe die Geschichte geliebt und inzwischen auch mehr von Margaret Atwood gelesen.

Mein Lieblingszitat: "Vielleicht bin ich verrückt und das ist eine neue Art von Therapie. Ich wünschte, es wäre wahr, dann könnte es mir besser gehen und das hier würde verschwinden."

Ich habe diesen Roman 2018 mit unserem internationalen Lesekreis erneut gelesen. Meine neue Rezension ist hier:

Ich habe dieses Buch vor ein paar Jahren gelesen, es ist eines meiner Lieblingsbücher. Seit es letztes Jahr als Fernsehserie erschienen ist, ist es überall zu finden, und mein Lesekreis hat es als unsere nächste Lektüre ausgewählt. Außerdem hat Margaret Atwood gerade den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels erhalten.

Ich habe dieses Buch beim ersten Mal wahrscheinlich noch mehr genossen als dieses Mal. Ich denke, viele der Ängste, die Margaret Atwood in ihrem Buch schilderte, waren einige Jahre später noch wahrer als damals (und heute noch mehr). Sind wir nicht von Menschen umgeben, die glauben, dass nur "wahre" Christen, die die Bibel "genau nach Vorschrift" befolgen, ein gutes Leben verdienen? Zumindest scheinen die meisten Nachrichten, die ich heutzutage aus den Vereinigten Staaten höre, das zu suggerieren. Das Problem ist: Je lauter sie schreien, desto weniger christlich sind sie.

Buchbeschreibung:

"'Mit Der Report der Magd hat sich Margaret Atwood in die Nachfolge von Aldous Huxley und George Orwell hineingeschrieben.' Der Spiegel

Die provozierende Vision eines totalitären Staats, in dem Frauen keine Rechte haben: Die Dienerin Desfred besitzt etwas, was ihr alle Machthaber, Wächter und Spione nicht nehmen können, nämlich ihre Hoffnung auf ein Entkommen, auf Liebe, auf Leben ... Margaret Atwoods Report der Magd wurde zum Kultbuch einer ganzen Generation und von Volker Schlöndorff unter dem Titel Die Geschichte der Dienerin verfilmt." (Anmerkung: Es gibt auch eine amerikanische TV Serie)

Für "The Handmaid's Tale" stand Margaret Atwood 1986 auf der Shortlist für den Booker Prize.

Margaret Atwood hat 2017 den Friedenspreis des deutschen Buchhandels erhalten.

6 Kommentare:

  1. Ich habe Margaret Atwood im Studium kennenglernt und ihre Bücher sehr gemocht. Die neueren kenne ich leider gar nicht. Vielleicht komme ich in ein paar Jahren dazu :).

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    1. Ich habe leider auch viel zu wenige von ihren Büchern gelesen, Und ich habe auch immer noch Hoffnung.

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    2. Es gibt einfach zu viele Bücher, die interessant aussehen!

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    3. Stimmt. Zu viele Bücher, zu wenig Zeit. Ich lese ja schon viel und trotzdem werde ich nie alle Bücher lesen können, die ich gerne lesen würde. Ich habe mal irgendwo gelesen, wir müssen als Geist zurückkommen und unseren genzen SUB zu Ende lesen. Das ist ein schöner Gedanke.

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    4. Ha, ha, vielleicht kann man als Geist die Bücher einfach absorbieren.

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    5. Das wär natürlich was. Andererseits, der größte Spaß an den Büchern ist ja nicht, dass man sie gelesen hat sondern das Lesen an sich.

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