Dienstag, 14. Februar 2023

Zeh, Juli "Über Menschen"

Zeh, Juli "Über Menschen" [About People] - 2021

Ich habe schon einige Bücher von Juli Zeh gelesen, und sie sind alle sehr unterhaltsam. Nach "Unterleuten" wurde dann die Fortsetzung angekündigt. Und jetzt gibt es sie endlich als Taschenbuch.

Bracken, der Ort des Geschehens, hat zwar mit Unterleuten nicht viel zu tun, außer, dass es beide kleine Käffer im Osten unseres Landes sind, und auch die Menschen sind natürlich andere, dennoch ist das Thema gleich. Ein "Wessi", in diesem Fall Dora mit Hund, kauft sich ein verlassenes Haus und zieht in den Osten. Dass man im Dorf mehr mit den Nachbarn zu tun hat als in Berlin, stellt sie schnell fest. Ein besonderer Punkt: "… Mit einer Naivität, die an Idiotie grenzt, ist sie davon ausgegangen, dass für die Rückfahrt andere Regeln gelten als für die Hinfahrt. Aber der nächste Bus kommt erst um 17:35 Uhr. Jetzt ist es kurz vor drei. Dora beginnt zu begreifen, warum manche Ideen für die Klimawende nicht bei allen Menschen im Land gut ankommen." Ja, vor allem auf dem Land, wo man eben keinen richtigen öffentlichen Nachverkehr hat. Eine Bekannte von mir war von einer deutschen Großstadt aufs Land gezogen und wunderte sich, dass die Nachbarn alle zwei Autos hatten. Da ihr Mann, wie alle anderen Männer, ihr Auto brauchten, um zu ihrem Arbeitsplatz zu kommen, blieb sie mit den beiden Kleinkindern zu Hause. Als sie feststellte, dass ein Bushalteschild in der Kleinstadt nicht das Gleiche ist wie in der Großstadt und sie fast einen ganzen Tag brauchte, um mit ihrem kranken Säugling und seinem zwei Jahre älteren Bruder zum Arzt hin- und zurückzukommen, bekam auch ihre Familie ein zweites Auto, keine drei Monate nach ihrem Umzug.

Ich sage immer, jeder sollte nach Schulabschluss ein halbes Jahr in eine Dorf ziehen müssen und auf der anderen Seite des Kreises arbeiten. Mal sehen, wie schnell die noch davon sprechen, dass man doch den ÖPNV nutzen sollte. Würden wir auch gerne, wenn es den denn gäbe.

Ja, so ähnlich geht es auch Dora. Selbst mit dem Fahrrad ist die nächste Einkaufsgelegenheit viel zu weit entfernt. Und die Nachbarn "kümmern" sich zwar mehr, als ihr manchmal lieb ist, aber sie versteht auch, dass es ohne kaum geht. Immerhin ist die Dorfgemeinschaft der Neuen einigermaßen freundlich gesinnt, was auch nicht immer der Fall ist. Meine Eltern blieben 60 Jahre lang die "Zugezogenen", obwohl sie nur ein paar Dörfer weiter aufgewachsen waren.

Hier stoßen Welten aufeinander, nicht nur Dorf und Großstadt, Osten und Westen, auch politisch stehen die Bewohner auf einer ganz anderen Seite. Und dann ist da noch Corona und Doras Freund Robert, der bei dem Thema total abdreht.

Viele Konflikte werden in diesem Roman beschrieben, Konflikte, die wir alle gut nachvollziehen können, das ist wohl das Allerbeste an dieser Geschichte. Witz fehlt auch nicht in dem Buch, das ist umso erstaunlicher, als es sonst nicht viel zu lachen gibt, weder in Doras Leben noch in dem der Nachbarn.

Wie auch die anderen Bücher der Autorin hat mir dieses ausgesprochen gut gefallen und ich werde sicher noch mehr von ihr lesen.

Buchbeschreibung:

"Dora ist mit ihrer kleinen Hündin aufs Land gezogen. Sie brauchte dringend einen Tapetenwechsel, mehr Freiheit, Raum zum Atmen. Aber ganz so idyllisch wie gedacht ist Bracken, das kleine Dorf im brandenburgischen Nirgendwo, nicht. In Doras Haus gibt es noch keine Möbel, der Garten gleicht einer Wildnis, und die Busverbindung in die Kreisstadt ist ein Witz. Vor allem aber verbirgt sich hinter der hohen Gartenmauer ein Nachbar, der mit kahlrasiertem Kopf und rechten Sprüchen sämtlichen Vorurteilen zu entsprechen scheint. Geflohen vor dem Lockdown in der Großstadt muss Dora sich fragen, was sie in dieser anarchischen Leere sucht: Abstand von Robert, ihrem Freund, der ihr in seinem verbissenen Klimaaktivismus immer fremder wird? Zuflucht wegen der inneren Unruhe, die sie nachts nicht mehr schlafen lässt? Antwort auf die Frage, wann die Welt eigentlich so durcheinandergeraten ist? Während Dora noch versucht, die eigenen Gedanken und Dämonen in Schach zu halten, geschehen in ihrer unmittelbaren Nähe Dinge, mit denen sie nicht rechnen konnte. Ihr zeigen sich Menschen, die in kein Raster passen, ihre Vorstellungen und ihr bisheriges Leben aufs Massivste herausfordern und sie etwas erfahren lassen, von dem sie niemals gedacht hätte, dass sie es sucht.

Juli Zehs neuer Roman erzählt von unserer unmittelbarsten Gegenwart, von unseren Befangenheiten, Schwächen und Ängsten, und er erzählt von unseren Stärken, die zum Vorschein kommen, wenn wir uns trauen, Menschen zu sein.
"

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