Donnerstag, 26. Januar 2023

Müller, Herta "Heute wär ich mir lieber nicht begegnet"

 

Müller, Herta "Heute wär ich mir lieber nicht begegnet" - The Appointment - 1997

Wir hatten das Glück, dieses Buch mit einem rumänischen Mitglied unseres Lesekreises diskutieren zu können, die uns einige Informationen aus erster Hand geben konnte.

In diesem Roman schildert Herta Müller den Weg einer Rumänin zu einem Termin bei der "Securitate", der Geheimpolizei. Das ganze Buch findet in den 90 Minuten statt, die sie braucht, um dorthin zu gelangen. Während sie mit der Straßenbahn fährt, reflektiert sie ihr Leben und was zuvor passiert ist.

Natürlich haben nicht alle in Rumänien die gleiche Erfahrung gemacht, besonders die jüngere Generation. Einige der schlimmsten Teile für alle waren die Rationalisierung der Lebensmittel, das Schlangestehen für Grundbedürfnisse, die Träume von Reisen, die Zensur. Es gab hauptsächlich klassische Bücher zu lesen oder nationalistische, alles, was verkauft wurde, war sowieso rumänisch. Sogar Filme waren verboten. Wenn man Glück hatte und einen Verwandten oder Freund hatte, der herumkam, bekam man vielleicht Kaffee etc. Die "Securitate", die Geheimpolizei, wusste alles. Man wurde zur Zusammenarbeit erzogen. Die Leute gerieten viel unter Druck. Man wurde zum Mitglied der kommunistischen Partei ernannt. Es schien nicht viel von einem Untergrund zu geben. Die Akten der Geheimpolizei wurden erst vor etwa 15 Jahren geöffnet.

Die meisten von uns wollten dieses Buch unbedingt lesen. Die Botschaft war, sich selbst zu lieben, und das ist so wichtig. Wir mochten den Stil, auch wenn einige es schwierig zu lesen fanden, zu verstehen, dass es im ganzen Buch um eine kurze Zugfahrt ging.

Einige Kommentare unserer Leserinnen: Die Autorin sieht die Welt durch ein Kaleidoskop, nichts hängt zusammen, es gibt keine Staatstrauer. Dies ist eine wunderbare Darstellung über die Unmenschlichkeit, die Verantwortungslosigkeit dieses Regimes, sehr kraftvoll. Es sind die kleinen Momente.
Sie alle waren Opfer. Wir fanden das sehr lehrreich.
Die Autorin beschreibt eine dunkle Niedergeschlagenheit, die einem sehr zu denken gibt.
Ich habe noch
nie etwas mit einem solchen Gefühl der Hoffnungslosigkeit gelesen. Es muss eine erlösende Antwort geben.
In ihrem Leben dreht sich alles um Selbstbeherrschung. Es ist die Zwanghaftigkeit/Besessenheit, die die einzige Kontrolle in ihrem Leben ist.
Das war eine perfekte Art zu zeigen, dass sie verrückt geworden ist. Es ist sehr wichtig, über Diktaturen zu schreiben.

Buchbeschreibung:

"'Ich bin bestellt.' Eine junge Frau in einer Großstadt in Rumänien auf dem Weg zum Verhör beim Geheimdienst. Sie hat diese Fahrt mit der Straßenbahn schon oft machen müssen, doch diesmal hat sie aus einer Vorahnung heraus Handtuch, Zahnpasta und Zahnbürste eingepackt. Unterwegs lässt sie ihr Leben an sich vorüberziehen: die Kindheit in der Provinz, die halberotische Gier nach dem Vater, die Deportation der Großeltern, das sporadische Glück, das ihr mit Paul gelingt, auch wenn sein Trinken für ihre Liebe eine Last ist. Außen: starre Uhrzeiten, Haltestellen, ein- und aussteigende Personen, vorbeiziehende Straßen. All dies soll ablenken und führt doch immer wieder zurück zu: 'Ich bin bestellt.'

Doch an diesem Tag hält der Fahrer an der Station, an der sie aussteigen muss, nicht an. Und sie beschließt zum ersten Mal, nicht zum Verhör zu gehen.
"

Wir haben dies im Februar 2003 in unserem internationalen Lesekreis besprochen.

Herta Müller ist im deutschsprachigen Teil Rumäniens aufgewachsen. Sie ging 1987 nach Deutschland, aber ihre Bücher wurden damals nicht in Rumänien veröffentlicht.

Herta Müller "die mittels Verdichtung der Poesie und Sachlichkeit der Prosa Landschaften der Heimatlosigkeit zeichnet" erhielt den Nobelpreis für Literatur 2009.

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