Montag, 31. Oktober 2022

Grass, Günter "Im Krebsgang"

 

Grass, Günter "Im Krebsgang" (Crabwalk) - 2002

Eine Lesekreis-Lektüre. Dieses Buch war mein Vorschlag, weil wir immer nach Romanen von Autoren aus verschiedenen Ländern suchen. Wir haben nicht viele deutsche Bücher gelesen, also dachte ich, lass uns einen Grass lesen. Dieser Autor war nie ein "einfacher" Mensch, in Danzig als Sohn polnisch-deutscher Eltern geboren, katholisch erzogen, als junger Mann nach Westdeutschland gezogen, er war stark links und sagte, was zu sagen war. Er war Journalist und Bildhauer/Grafiker.

Viele unserer Mitglieder fanden das Buch sehr schwer zu lesen. Warum müssen Übersetzungen von Büchern ins Englische immer so schlecht sein? Diese Erfahrung machen wir immer wieder. Wohlgemerkt, in diesem Fall kann ich dem Übersetzer nicht wirklich einen großen Vorwurf machen, viele der Gespräche, insbesondere mit der Mutter des Erzählers, sind auf Pommersch und sogar in der deutschen Originalversion schwer zu lesen.

Wir hatten einige Mitglieder, die es ein paar Mal angefangen haben, bis sie es schließlich beendeten.  Einige ihrer Bemerkungen: Ich weiß es zu schätzen, dass er es geschrieben hat. Dieses Buch hat bei seinem Erscheinen in Deutschland großes Aufsehen erregt. Ich verstehe den deutschen Schamfaktor. Mir wurde klar, wie bedrückend und belastend es für Kinder ist, mit den Ambitionen der Eltern leben zu müssen. Paul Pokriefke wollte ein normaler Mensch werden, seine Mutter Tulla schrieb ihn komplett ab und übertrug all ihre Ambitionen auf ihren Enkel. Die Deutschen sollten sich nicht mit ihrer Vergangenheit aufhalten. Viele Leute wollen nicht, dass sie vergessen, der Hass ist immer noch da. Sie zeigen es im Fernsehen, erinnern uns jedes Jahr daran. "Viktimisierung gibt ihnen Macht." Ich schätzte die Liebe des Vaters zu seinem Sohn, er steht zu ihm. Sie müssen sich nicht gegen diese Riesenmmaschine stellen. Was ist im Moment los? Wir sprachen über den Neonazismus in mehreren europäischen Ländern. Die Wahrheit ist, dass alle europäischen Länder Nazis hatten und haben.
 
Auch wenn dies für die meisten wahrscheinlich eine der schwierigsten Lektüren war, es war auch eine großartige Grundlage für eine sehr interessante Diskussion. Es führt zu so vielen verschiedenen Themen. Ich denke, es sollte niemanden überraschen, dass der Autor mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde.

Oh, und jemand bemerkte, dass sie erstaunt war, dass es auf der Wilhelm Gustloff sechsmal so viele Tote gab wie auf der Titanic, aber man hört nie davon.

Wir haben dies im August 2012 in unserem internationalen Lesekreis diskutiert.


Buchbeschreibung:

"Es war die größte Katastrophe in der Geschichte der Seefahrt: Am 30. Januar 1945 verließ das ehemalige Kraft-durch-Freude-Kreuzfahrtschiff 'Wilhem Gustloff' mit 6.100 Flüchtlingen an Bord Gotenhafen und wurde vor Stolpermünde von einem sowjetischen U-Boot aufgebracht. Drei der kommunistischen Heimat und ihrem Diktator gewidmete Torpedos durchbohrten das Schiff, das in knapp einer Stunde versank; mehr als 5.000 Menschen kamen ums Leben. Ein Untergang nach dem Untergang: Das Tausendjährige Reich war längst Geschichte, und Roosevelt bereits auf dem Weg nach Jalta, um mit Stalin und Churchill die neuen Grenzen abzustecken.

Die Tragödie in der Ostsee hat Günter Grass seit jeher interessiert. In Romanen wie
Katz und Maus und Die Rättin wird erwähnt, dass die Nebenfigur der Tulla Pokriefke das Unglück knapp überlebte. Nun hat der Autor dem Ereignis auf hoher See eine historische, dabei aktuell-brisante Novelle gewidmet. In Im Krebsgang wird der Sohn von Tulla beauftragt, die längst vergessene Geschichte aus den Fluten des kollektiven Gedächtnisses zu bergen. Eher widerwillig recherchiert der Journalist und Ich-Erzähler im Internet, tummelt sich in den abstrusen Chatrooms der Neonazis, beleuchtet die Biografien des Schweizer NS-Landesgruppenführers Wilhelm Gustloff, seines jüdischen Attentäters David Frankfurter und des U-Bootkommandanten der sowjetischen Rotbannerflotte Alexander Marinesko - und versucht sich schließlich im Erzählprozess ganz 'an Bord der Gustloff zu denken', um die tödliche Katastrophe vor den Augen seiner Leser wieder lebendig werden zu lassen. Dabei fördert er ein menschliches Drama zu Tage, das bis in unsere Gegenwart hineingreift und nicht zuletzt seine eigene Familie betrifft.

In
Katz und Maus war die durch das Dickicht der Wiesen streifende Katze Metapher eines vorsichtig neugierigen, 'lauernden' und ständig die Richtung wechselnden Erzählens. In Grass' neuer Novelle ist es der seitliche, mögliche Feinde täuschende Gang des Krebses, der die stetig zwischen Gestern und Heute wechselnde Erzählperspektive symbolisiert und dem großartigen schmalen Band seinen Namen gab. Entgegen der Bescheidenheit des Ich-Erzählers ('ich berichte nur') ist Grass endlich wieder ein kleines Meisterwerk gelungen. Spannend verwoben, kunst- und humorvoll zugleich. - Thomas Köster"

Günter Grass erhielt den Nobelpreis für Literatur 1999 "weil er in munterschwarzen Fabeln das vergessene Gesicht der Geschichte gezeichnet hat".

Ich wirke an dieser Seite mit: Read the Nobels und Ihr könnt alle meine Blog-Einträge über Nobelpreisträger und ihre Bücher hier finden.

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