Mittwoch, 31. Mai 2023
Taha, Karosh "Im Bauch der Königin"
Ein interessantes Buch, nicht ganz einfach zu verdauen, aber schon wert zu lesen. Die Autorin ist eine in Deutschland geborene Kurdin und sie erzählt von dem Leben als Ausländerin in Deutschland aber auch als Kurdin in der internationalen Gemeinschaft.
Das Einzigartige an diesem Buch ist, dass man es von zwei Seiten aus lesen kann, nein, lesen muss. Irgendwo wird es als Wenderoman beschrieben, wobei ich das eigentlich mit der politischen Wende um den Mauerfall verbinde.
Ich habe mich entschlossen, oben anzufangen, so wie die Buchhändlerin mir den Band überreicht und habe dadurch mit dem Teil von Raffiq angefangen, von dem wir nicht erfahren, aus welchem Teil Kurdistans er ist, oder ob er überhaupt aus Kurdistan ist, aber ich bin mal davon ausgegangen. In erster Linie erzählt er von seinen Freunden Younes und Amal, Teenager wie er, die kurz vor dem Schulabschluss stehen und sich überlegen, was sie danach machen wollen. Raffiq erzählt auch von ihrer Kindheit und ihrem Alltag, wo Younes Mutter Shahira eine große Rolle spielt. Sie hält sich nicht an die allgemeinen Regeln der Kurden, und die Eltern der Jugendlichen sind nicht gerade begeistert von ihr.
Die andere Hälfte des Buches wird von Amal erzählt. Ihre Familie stammt aus dem Irak, der Vater hat seine Frau vor vielen Jahren verlassen und in seiner Heimat eine neue Familie gegründet. Amal nimmt sich ein Beispiel an Shahira und lässt sich nicht alles gefallen, was in ihrer Umgebung nicht einfach ist. Es wird von allen als sehr schockierend empfunden, dass sie sich die Haare kurz schneidet.
Man kann das Buch insgesamt als eine Erzählung vom Heranwachsen betrachten, den Problemen mit den Eltern, die größer sind, weil die Eltern in einer ganz anderen Kultur aufgewachsen sind. Ich hoffe, meine Söhne empfinden das nicht so, unsere Kultur war der unserer Gastländer etwas ähnlicher.
Viele der Probleme, die die Jugendlichen haben, sind sicher genau die gleichen wie die anderer deutscher und westeuropäischer Jugendlichen, und so lernen manche vielleicht daraus, dass Menschen überall gleich sind.
Durch die Erzählweise bekommen wir zwei Perspektiven vorgesetzt, die den Anschein haben, als handele es sich um zwei total verschiedene Romane. Das fand ich am Faszinierendsten.
Buchbeschreibung:
"Shahira bricht die Regeln der kurdischen Community mehrfach: Sie ist alleinerziehend, schert sich nicht um die Blicke der Leute, die sie mit ihrer Freizügigkeit auf sich zieht, lebt nicht monogam. Für Amal und Raffiq, die Freunde ihres Sohnes Younes, ist sie Faszination und Provokation zugleich. Sie bewundern Shahira für ihre Kompromisslosigkeit und ihren Umgang mit Sexualität, missbilligen aber auch, wie sie ihre Bedürfnisse scheinbar über die ihres Sohnes stellt. Shahiras Andersartigkeit konfrontiert alle drei mit ihren eigenen Sehnsüchten, ihren Vorurteilen wie auch den Entscheidungen, die sie treffen müssen. Und ändert auf diese Weise ihr Leben für immer."
Dienstag, 30. Mai 2023
Ibrahimi, Anilda "Rot wie eine Braut"
Wir haben dieses Buch in unserem internationalen Online-Lesekreis im Mai 2023 gelesen.
Über Albanien hat man lange Zeit kaum etwas erfahren. Man wusste, dass das Land abgeschieden war, das niemand herein- und noch weniger herauskamen.
In diesem Buch wird uns von dem Leben hinter dem Vorhang erzählt. Wir lernen vier Frauengenerationen kennen, angefangen mit Saba, die mit 15 Jahren mit dem Witwer ihrer Schwester verheiratet wird und neun Kinder von ihm bekommt, fünf Mädchen und vier Jungs.
Der Krieg verändert die Stellung der Frau, sie bekommen eine Ausbildung und werden selbständiger, auch auf dem Land. Wir durchleben die verschiedenen Generation bis zu Dora, die die Geschichte erzählt.
Der Titel spielt auf die Tradition an, dass eine Braut in Albanien ganz in Rot gekleidet wurde.
Eine interessante Geschichte über das Leben in einem Land, von dem wir immer noch nicht viel wissen. Gut geschrieben, flüssig zu lesen. Mir hat es sehr gut gefallen.
Buchbeschreibung:
"Vier Generationen von Frauen, eine Truhe voller Erinnerungen, der Aufbruch in ein neues Leben
Die junge Dora hat ihre Heimat Albanien verlassen, um in Italien ein besseres Leben zu beginnen. In der Ferne erscheinen ihr die Erinnerungen an ihre Familie, die in dem kleinen Bergdorf Kaltra seit Generationen ein einfaches und von archaischen Traditionen bestimmtes Leben führt, mit einem Mal wie aus einer anderen Zeit. Doch immer, wenn sie die Truhe öffnet, die ihr von Saba, der Großmutter, geblieben ist, sie Sabas roten Hochzeitsschleier in die Hände nimmt und ihr der altvertraute Geruch von Quitten in die Nase steigt, wird die Vergangenheit vor ihren Augen lebendig …"
Freitag, 26. Mai 2023
Kurkow, Andrej "Graue Bienen"
Dieses ist kein Buch über den derzeitigen Krieg in der Ukraine, es geht um den in 2014. Paramilitärische russische Truppen hatten gewaltsam Kontrolle über einige Stadtverwaltungen erlangt, selbsternannte "Volksrepubliken" wurden ausgerufen.
Die Gegend um Donezk und Luhansk wurde zur Grauzone. Und genau dort lebt unser Protagonist, Sergej Sergeijitsch. In seinem Dorf wohnt außer ihm nur noch ein anderer Mann, Paschka Chmelenko, alle anderen sind geflohen. Sergej züchtet Bienen. Im ersten Teil lernen wir das Leben in der Grauzone kennen, man hört Schüsse und Detonationen, aber man selbst wird nicht angegriffen. Bis auf die Kirche stehen noch alle Häuser. Allerdings haben sie weder Strom noch werden sonst irgendwie mit Lebensmitteln versorgt, dafür müssen sie ins nächste bewohnte Dorf laufen.
Dann wird es Zeit, die Bienen ausfliegen zu lassen. Da Sergej Angst hat, sie könnten bei dem vielen Krach nicht ihrer üblichen Arbeit nachgehen, fährt er mit seinen Bienenstöcken in die Ukraine, wo wir das Leben in dem anderen Teil des Landes kennenlernen. Dort funktioniert das Netzwerk noch einigermaßen. Aber er ist nicht willkommen, also bricht er ein zweites Mal aus und geht auf die Krim, wo er einen anderen Bienenzüchter kennt. Dort lernen wir das Leben in dem von Russland besetzten Teil kennen.
Zusätzlich haben wir einen Einblick in das Leben und die Arbeit eines Bienenzüchters.
Alles sehr interessant. Ein ungewöhnlicher Roman, der viel über die derzeitigen Zustände aussagt. Es gibt ein gutes Gefühl darüber, wie es sein könnte.
Auf der englischen Wikipedia-Seite habe ich gelesen, dass seine Bücher voll schwarzem Humor, postsowjetischer Realität und Elementen des Surrealismus sind, und ich kann da nur zustimmen.
Buchbeschreibung:
"Der Bienenzüchter Sergej lebt im Donbass, wo ukrainische Kämpfer und prorussische Separatisten Tag für Tag aufeinander schießen. Er überlebt nach dem Motto: Nichts hören, nichts sehen - sich raushalten. Ihn interessiert nur das Wohlergehen seiner Bienen. Denn während der Mensch für Zerstörung sorgt, herrscht bei ihnen eine weise Ordnung und wunderbare Produktivität. Eines Frühlings bricht er auf: Er will die Bienen in eine Gegend bringen, wo sie wieder in Ruhe Nektar sammeln können."
Dienstag, 23. Mai 2023
Kazantzakis, Nikos "Die letzte Versuchung"
Ich habe schon öfter Bücher gelesen, die das Leben Jesu oder seiner Jünger oder anderer Zeitgenossen beschreiben (zuletzt "Barabbas"). Es ist immer wieder recht interessant zu sehen, wieviel Autoren zu den Geschichten dazudichten und man kann sich vorstellen, das dieses auch mit dem "Original" geschehen ist.
Das stört mich auch normalerweise nicht, ich glaube, wir alle können daraus lernen. Aber dieses Buch hat mich absolut nicht gefesselt. Es wird zu viel hin- und hergehüpft. Auch das stört mich sonst nicht, also muss es wohl der Schriftsteller (oder der Übersetzer) sein, der es nicht geschafft hat, mein Interesse zu wecken.
Buchbeschreibung:
"Mit einer Vision kehrt der Zimmermann Jesus vom Fasten aus der Wüste zurück. Er lässt sich taufen, vollbringt Wunder, schart Jünger um sich und wird schließlich von den Römern ans Kreuz geschlagen. In diesem Roman wird die Geschichte von einem Jesus erzählt, der an seiner Berufung als Sohn Gottes zweifelt, mit den Römern kollaboriert, eine Frau begehrt und sich sogar dem Tod am Kreuz entzieht und eine Familie gründet."
Samstag, 20. Mai 2023
Hessel, Stéphane "Empört Euch!"
Dies ist wahrscheinlich eines der kürzesten "Bücher", die ich je gelesen habe. Für viele Menschen wäre es nicht einmal eine Kurzgeschichte. Knapp 30 Seiten.
Stéphane Hessel ist 93 Jahre alt und war während des 2. Weltkrieges Mitglied der Résistance.
Als er sein Buch in Frankreich veröffentlichte, erregte es großes Aufsehen. Der Autor ermutigt uns zur Empörung. Er hat gesehen, was passiert, wenn die Leute es nicht tun. Er ermutigt uns, uns nicht nur gegen die Diktatur zu wehren, sondern vor allem auch gegen die Geschäftswelt, die Banken und die Finanzleute, um für die Minderheiten, gegen die Umweltverschmutzung und damit für die Menschheit und unsere Erde zu kämpfen.
Ich denke, dies sollte jeder lesen. Es dauert nicht lange, könnte aber die Welt zum Besseren verändern, wenn wir alle entsprechend handeln würden.
Buchbeschreibung:
"Mit eindringlichen Worten ruft Stéphane Hessel zum friedlichen Widerstand gegen die Ungerechtigkeit in unserer Gesellschaft auf. Gegen die Diktatur des Finanzkapitalismus, gegen die Unterdrückung von Minderheiten, gegen die ökologische Zerstörung unseres Planeten.
'93 Jahre. Das ist schon wie die allerletzte Etappe. Wie lange noch bis zum Ende? Die letzte Gelegenheit, die Nachkommenden teilhaben zu lassen an der Erfahrung, aus der mein politisches Engagement erwachsen ist.' Stéphane Hessels Streitschrift bewegt die Welt. Der gebürtige Berliner war Mitglied der Résistance, hat das KZ Buchenwald überlebt und ist einer der Mitautoren der Menschenrechtserklärung der Vereinten Nationen. Mit emphatischen Worten ruft der ehemalige französische Diplomat zum friedlichen Widerstand gegen die Unzulänglichkeiten unserer Gesellschaft auf. Er beklagt, dass der Finanzkapitalismus die Werte der Zivilisation bedroht und den Lauf der Welt diktiert. Er prangert die Lage der Menschenrechte an, kritisiert die Umweltzerstörung auf unserem Planeten und verurteilt die Politik Israels im Gaza-Streifen als Demütigung der Palästinenser. Stéphane Hessel ist das Gewissen der westlichen Welt und 'Frankreichs Rebell der Stunde'."
Stéphane Hessel ist 2013 im Alter von 95 Jahren gestorben. Aber er hat uns allen noch einmal einen Grund zum Nachdenken gegeben.
Freitag, 19. Mai 2023
Dangarembga, Tsitsi "Der Preis der Freiheit"
Die erste Zeile "I was not sorry when my brother died" (Ich war nicht traurig, als mein Bruder starb) sollte in die Liste der besten ersten Zeilen aufgenomen werden.
Diese Geschichte gibt uns einen Einblick in das Leben der 13jährigen Tambudzei, ein Mädchen in den 1960er Jahren aus Simbabwe, das damals noch Rhodesien hieß. Man liest selten Bücher von afrikanischen Frauen. Die Autorin ist 1945 geboren und kann von den traditionallen Strukturen berichten, in denen allein Männer zählen. Der Roman ist halbautobiographisch. Die Protagonistin ist schlau und wünscht sich, ihre Intelligenz auch anderswo zu nutzen als in der Küche und im Kinderzimmer. Ihre Cousine, die einen Teil ihrer Kindheit in England verbracht hat, trägt weiter dazu bei, dass Tambu nach Bildung hungert.
Ein fantastisches Buch, das die Situation der Frauen in fast jeder Gesellschaft beschreibt. Ja, auch bei uns ist es leider immer noch ein Unterschied, ob man als Mann oder als Frau zur Welt kommt und in einem reichen oder armen Haushalt.
Ich möchte auf jeden Fall die beiden weiteren Bücher dieser Trilogie lesen: The Book of Not (Verleugnen) und This Mournable Body (Überleben).
Buchbeschreibung:
"Für Tambu, Mädchen vom Land und Kind sehr armer Eltern, scheint das Leben schon gelaufen zu sein, noch bevor es richtig begonnen hat. Durch den unerwarteten Tod ihres Bruders wendet sich das Blatt. Ihr vermögender, westlich gebildeter Onkel setzt gegen die Widerstände ihres Vaters durch, dass sie den Platz des Bruders in der Missionsschule einnimmt. Sie geht ihren eigenen Weg, wohlwissend, dass sie die Geborgenheit von Familie und Tradition verlieren wird. Ihre Befreiung gelingt nur um den Preis der Entfremdung von den eigenen Wurzeln. Das lernt sie am Beispiel ihrer Cousine Nyasha, die aus England nach Rhodesien zurückgekehrt ist. Sie wird zerrieben zwischen den Ansprüchen ihres traditionsbewussten Vaters und ihrem eigenen Bestreben, ein freies, westliches Leben zu führen."
"…die Geschichte, die ich hier erzählt habe, ist meine eigene Geschichte, die Geschichte von vier Frauen, die ich geliebt habe, und die Geschichte unserer Männer; es ist die Geschichte davon, wie alles begann." Tsitsi Dangarembga
"Dieser Roman ist ein ausgezeichnetes Porträt und Interpretation einer afrikanischen Gesellschaft, deren jüngere Generation von Frauen mit unterschiedlichem Erfolg (bis hin fast zu Niederlagen) darum kämpft, dass die Gesellschaft nicht mehr patriarchalisch dominiert und kolonial geprägt wird. In der afrikanischen Literatur hat es zuvor noch nie eine überzeugende Darstellung von Anorexie gegeben." Gesellschaft zur Förderung der Literatur aus Afrika, Asien und Lateinamerika e.V.
Die deutsche Übersetzung ist von Ilja Trojanow, ein wirklich guter Schriftsteller, sie dürfte also gut sein.
"Nervous Conditions" wurde 2021 von der BBC als eines der 100 besten Bücher ausgezeichnet, die die Welt geprägt haben.
Das Buch erhielt 1989 den Commonwealth Writers Prize als bestes Erstlingswerk für die Region Afrika.
Tsitsi Dangarembga hat 2021 den Friedenspreis des deutschen Buchhandels erhalten.
In der Begründung der Jury heißt es: "In ihrer Romantrilogie beschreibt Tsitsi Dangarembga am Beispiel einer heranwachsenden Frau den Kampf um das Recht auf ein menschenwürdiges Leben und weibliche Selbstbestimmung in Simbabwe. Dabei zeigt sie soziale und moralische Konflikte auf, die weit über den regionalen Bezug hinausgehen und Resonanzräume für globale Gerechtigkeitsfragen eröffnen. In ihren Filmen thematisiert sie Probleme, die durch das Aufeinandertreffen von Tradition und Moderne entstehen. Ihre Botschaften richten sich erfolgreich an ein breites Publikum sowohl in Simbabwe als auch in den Nachbarländern."
Eine andere afrikanische Schriftstellerin, von der ich schon Bücher gelesen habe und die ich gerne weiterempfehlen kann ist:
Chimamanda Ngozi Adichie
"Half of a Yellow Sun" - Die Hälfte der Sonne - 2006
"Americanah" - Americanah - 2013
"We Should All Be Feminists" (Mehr Feminismus! Ein Manifest und vier Stories) - 2014
Dienstag, 16. Mai 2023
Şafak, Elif "Das Flüstern der Feigenbäume"
Ich habe mehrere Bücher von Elif Şafak gelesen. Sie scheinen alle unterschiedlich zu sein, aber sie sind alle fantastisch.
In diesem erfahren wir etwas über Zypern, über die Menschen auf dieser geteilten Insel. Als Beispiel haben wir den Griechen Kostas und die Türkin Defne. Sie verlieben sich, aber - wie in solchen Fällen üblich - ihre Liebe ist verboten.
Aber wir erfahren nicht nur etwas über die Menschen und die Umstände, unter denen sie leben müssen, wir erfahren auch von einem Baum, einem Feigenbaum, wie Bäume funktionieren, wie sie wachsen, wie sie kommunizieren. Sie haben viel zu erzählen. Faszinierend. Dieser Teil der Geschichte erinnerte mich ein wenig an Elif Şafaks Landsmann Orhan Pamuk und mein Lieblingsbuch von ihm, einem meiner Lieblingsautoren: Rot ist mein Name. Er lässt auch Nicht-Menschen einen Teil der Geschichte erzählen.
Auf jeden Fall ist dies eine fantastische Geschichte, sehr originell, schön und herzzerreißend. Zum Schluss wissen wir, dass die Insel nicht nur ihre Bäume vermisst (wie in dem entlischen Titel angekündigt).
Buchbeschreibung:
"Im Jahr 1974 befindet sich das idyllische Zypern kurz vor dem Bürgerkrieg. Eine Taverne, betrieben von einem schwulen Paar, ist der einzige Ort, an dem sich der Grieche Kostas und die Türkin Defne treffen können. Der prachtvoller Feigenbaum im Innenhof der Taverne ist Zeuge ihrer glücklichen Begegnungen und ihrer stillen Abschiede. Der Feigenbaum ist auch da, als der Krieg ausbricht, als die Hauptstadt in Schutt und Asche gelegt wird, als Menschen auf der ganzen Insel spurlos verschwinden. In der Gegenwart steht der Baum im Garten von Kostas und seiner 16\-jährigen Tochter Ada in London. Ada weiß nichts von ihrer Heimat, Kostas hüllt sich in Schweigen, wenn es um seine Vergangenheit geht und die seiner verstorbenen Frau, Defne. Nur die Wurzeln des Baums stellen noch eine Verbindung dar zu dem, was geschehen ist. Doch Ada forscht nach: Was verbirgt sich hinter dem Schweigen ihres Vaters? Warum musste ihre Mutter sterben? Während Ada die dunklen Schatten ihrer Familie ausleuchtet, erwartet die Feige im Garten den kältesten Wintereinbruch seit Jahrzehnten."
Samstag, 13. Mai 2023
Buck, Pearl S. "Die Mutter"
Ich lese Romane von Pearl S. Buck, seit ich ein Teenager war, also seit ungefähr 50 Jahren. Aber es gibt noch so viele ihrer Bücher, die ich nicht gelesen habe.
Ich bin in einem Antiquariat auf dieses kleine Schmuckstück gestoßen.
Wie so oft in ihren Büchern gibt die Autorin die Namen der Kinder nicht preis, da dies in China ganz normal zu sein scheint. Aber in diesem Fall ist nicht einmal ein anderer Name im Spiel. Die einzige, der wir begegnen, "die Mutter", wird manchmal Mrs. Lee genannt.
Die Namen spielen jedoch keine Rolle. Wir lernen eine arme Bäuerin und ihre Familie kennen, ihre Gedanken und Gefühle, ihre Nöte, wie sie ihr Leben führt, wie sie sich um ihre Familie kümmern muss, wie ihr ganzes Leben nur aus Arbeit und Verantwortung besteht.
Ich habe selten ein Buch gelesen, das so tief ins Herz der Protagonistin geht. Wir lernen die Traditionen in einem kleinen Dorf in China kennen, wie Mädchen in eine andere Familie verheiratet werden.
Für diejeningen, die etwas über das vorrevolutionäre ländliche China lernen möchten, ist dies das richtige Buch. Für weitere Bücher von Pearl S. Buck, sind hier alle meine englischen und hier alle meine deutschen Beiträge über sie. Ich schlage vor, mit "The Good Earth" (Die gute Erde) zu beginnen.
Buchbeschreibung:
"Eine Mutter sieht sich im ländlichen China mit Schwierigkeiten konfrontiert, aber als ihr Mann die Familie verlässt, findet sie noch mehr Kraft, um die Farm am Laufen zu halten, die Familie zu ernähren und die klatschenden Nachbarn in Schach zu halten. 'Die Mutter' behandelt das Leben einer jungen Mutter, die sich um die Mutter ihres Mannes kümmert, bis hin zur alten Mutter, die von ihrer Schwiegertochter versorgt wird."
Pearl S. Buck erhielt den Nobelpreis für Literatur 1938 "für ihre reichen und echten epischen Schilderungen aus dem chinesischen Bauernleben und für ihre biographischen Meisterwerke".
Ich wirke an dieser Seite mit: Read the Nobels und Ihr könnt alle meine Blog-Einträge über Nobelpreisträger und ihre Bücher hier finden.
Mittwoch, 10. Mai 2023
Hajaj, Claire "Der Duft von bitteren Orangen"
Dies ist mal wieder so ein Buch, bei dem es zwei verschiedene deutsche Titel zum gleichen ausländischen Buch gibt: Der Duft von bitteren Orangen und Ismaels Orangen.
Ich hatte gerade ein anderes Buch über den israelisch-palästinensischen Konflikt beendet (Against the Loveless World/Nahrs letzter Tanz von Susan Abulhawa), als dies als nächstes für unseren Lesekreis vorgeschlagen wurde.
Über die Autorin ist nicht viel zu finden (sie hat nicht einmal einen Eintrag bei Wikipedia), außer bei Goodreads:
"Claire Hajaj has spent her life building bridges between two worlds, sharing both Palestinian and Jewish heritage. She has lived on four continents and worked for the United Nations in war zones from Burma to Baghdad. A former contributor to the BBC World Service, Claire's writing has also appeared in Time Out and Literary Review. She lives in Beirut, Lebanon." (Claire Hajaj hat ihr Leben damit verbracht, Brücken zwischen zwei Welten zu bauen und sowohl das palästinensische als auch das jüdische Erbe zu teilen. Sie hat auf vier Kontinenten gelebt und für die Vereinten Nationen in Kriegsgebieten von Burma bis Bagdad gearbeitet. Als ehemalige Mitarbeiterin des BBC World Service sind Claires Texte auch in Time Out und Literary Review erschienen. Sie lebt in Beirut, Libanon.)
Und das auf der deutschen Webseite von Lovelybooks:
"Claire Hajaj wurde 1973 in London geboren und fühlt sich zwei Kulturen zugehörig, der jüdischen und der palästinensischen, die sie versucht zu vereinbaren …"
Ich hätte gerne gewusst, wie sehr dieses Buch auf ihrem eigenen Leben oder dem ihrer Eltern basiert. Es hilft immer, ein Buch zu verstehen, wenn man den Hintergrund des Autoren kennt.
Ich war 1986 in Israel und erinnere mich an eine schöne Zeit in Jaffa. Daher hat es mich unglaublich traurig gemacht, von der palästinensischen Familie zu lesen, die seit Generationen dort lebte und vertrieben wurde. Ich glaube nicht, dass wir uns vorstellen können, wie sich das angefühlt haben muss.
Wie so viele andere Bücher über die Menschen in Palästina, die Juden, die kamen, um ihr Land zu besetzen, die Briten, die ihnen halfen, kann es nur die Oberfläche dessen berühren, was vor sich geht. Deshalb müssen wir so viele Bücher wie möglich darüber lesen und weitergeben. Dies ist sicherlich nicht das beste Buch, das ich zu diesem Thema gelesen habe, aber es war trotzdem interessant. Und ist wahrscheinlich einfacher zu lesen für Leute, die nicht zu viele Details erfahren möchten. Wer an diesem Thema interessiert sind, kann weitere Bücher, die ich zu diesem Thema gelesen habe, unter meinem Link Israel/Palästina (englische Einträge) finden.
In ihrer Danksagung erwähnt sie Adam LeBor und "das wunderbare Jaffa, die Stadt der Orangen" (City of Oranges), das ich auch sehr liebe, leider wurde es (noch) nicht ins Deutsche übersetzt.
Wir haben dies im April 2023 in unserem deutschen Lesekreis gelesen.
Bucheschreibung:
"Kann Liebe wachsen, wo Hass gesät wird?
Jaffa, April 1948. Der siebenjährige Salim
Al-Ismaeli, Sohn eines palästinensischen Orangenzüchters, freut sich
darauf, die ersten Früchte des Orangenbaums zu ernten, der zu seiner
Geburt gepflanzt wurde. Doch der Krieg bricht aus und treibt die ganze
Familie in die Flucht. Von nun an hat Salim nur noch einen Traum: Eines
Tages zu seinem Baum zurückzukehren und im Land seiner Väter zu leben.
Zur selben Zeit wächst Judith als Tochter von Holocaust-Überlebenden mit ihrer jüdischen Familie in England auf - und sehnt sich danach, irgendwann ein normales und glückliches Leben führen zu dürfen. Als Salim und Judith sich im London der Sechzigerjahre begegnen und ineinander verlieben, nimmt das Schicksal seinen Lauf und stellt ihre Liebe auf eine harte Probe …"
Mittwoch, 3. Mai 2023
Pamuk, Orhan "Rot ist mein Name"
Jedes Jahr, wenn die neuen Nobelpreisträger bekannt gegeben werden, warte ich gespannt auf den Empfänger des Preises für Literatur. Selten wurde ich von ihren Büchern enttäuscht. Dieses Jahr war keine Ausnahme, im Gegenteil.
Orhan Pamuk ist einer jener seltenen Autoren, die die Kunst des Schreibens neu erfunden zu haben scheinen. Sein Stil ist ziemlich einzigartig. Obwohl er seine Geschichte im 13. Jahrhundert ansiedelt, bezieht sie sich auf aktuelle Probleme und Fakten, wie es sonst niemand zu können scheint. Ich habe seitdem einige seiner Bücher gelesen, er ist absolut fabelhaft.
Der Erzähler des Romans wechselt in jedem Kapitel, was uns einen unvergleichlichen Einblick in die ganze Geschichte gibt. Man bekommt nicht nur den Blick auf etliche Charaktere (darunter die Person, die gleich zu Beginn der Geschichte ermordet wird), sondern auch auf Tiere und das Gemälde, um das sich die Geschichte dreht. Dieser Roman gibt nicht nur einen Einblick in Islam und Kunst, einen Rundgang durch Istanbul und das Leben vor 700 Jahren, er ist Ausdruck der Suche nach dem Sinn des Lebens.
Ein wunderbarer Autor. Einer meiner Favoriten.
Und hier ist eine kurze Zusammenfassung unserer Diskussion im Lesekreis (Jahre nachdem ich das zum ersten Mal gelesen habe). Es sind ein paar kleine Spoiler drin, also nicht für diejenigen, die das Buch noch nicht gelesen haben. Also, nicht öffnen!
Spoiler:
Ich hatte doch gesagt, nicht öffnen, wenn ihr es nocht nicht gelesen habt..
* * *
Der Autor nutzt die Bildsprache sehr gut, sehr farbenfrohe Schrift. Er vergleicht die Kunst der östlichen und westlichen Welt, die unterschiedliche Art zu malen, die Religion und Kultur. Die Miniaturmalerei war weit verbreitet diese Region und Zeit. Kunst, Wissenschaft, Philosophie, Konzept des Machens alles Realistische kommt aus der Mode, alles ist mehr abstrakt jetzt, siehe den Pointillismus. Orhan Pamuk wollte Künstler werden, er unterrichtet uns über Kunstgeschichte. Wir haben es genossen, etwas über die Kunst zu lernen Teil, je nachdem, wer sprach, um zu sehen, wie engagiert sie waren. Die Beschreibungen von Istanbul waren sehr gut, diejenigen von uns, die dort waren hat es besonders gefallen. Darüber würden wir gerne noch etwas lesen Zeitraum.
Sein Blick auf die Welt ist faszinierend.
Wir hatten auch ein Gespräch über verschiedene Kulturen und wie viel sie sollten sich in einem fremden Land assimilieren. Wir waren uns einig, dass niemand geben sollte ihre eigene Kultur aufbauen (aber sich auf jeden Fall an die Gesetze des Gastgebers halten). Land), aber versuchen Sie, sie zusammenzubringen, soziale Medien sind eine gute Hilfe.
Wir hatten eine Diskussion darüber, warum sie immer schöne Jungs oder Männer zu ihrem Vergnügen benutzen.
Wir haben uns auch gefragt, warum Osman seine Augen durchbohrt hat.
Die meisten von uns waren überrascht, wer der Mörder war.
* * *
Buchbeschreibung:
"Man schreibt das Jahr 1591, Istanbul ist vom Schnee bedeckt. Ein Toter spricht zu uns aus der Tiefe eines Brunnens. Er kennt seinen Mörder, und er kennt auch die Ursache für den Mord: ein Komplott gegen das gesamte Osmanische Reich, seine Religion, seine Kultur, seine Tradition. Darin verwickelt sind die Miniaturenmaler, die beauftragt sind, für den Sultan zehn Buchblätter zu malen, ein Liebender und der Mörder, der den Leser bis zum Schluß zum Narren hält. Ein spannender Roman, der, als historischer Krimi verkleidet, immer wieder auch auf die gegenwärtige Spannung zwischen Orient und Okzident verweist."
Wir haben dies in unserem internationalen Lesekreis im Februar 2013 und in unserem internationalen Online-Lesekreis im Dezember 2019 diskutiert.
Auch die anderen Bücher von Orhan Pamuk haben mir sehr gut gefallen.
Orhan Pamuk "der auf der Suche nach der melancholischen Seele seiner Heimatstadt Istanbul neue Sinnbilder für Zusammenstoß und Verflechtung der Kulturen gefunden hat" erhielt den Nobelpreis für Literatur 2006.
Orhan Pamuk hat 2005 den Friedenspreis des deutschen Buchhandels erhalten.
Ich wirke an dieser Seite mit: Read the Nobels und Ihr könnt alle meine Blog-Einträge über Nobelpreisträger und ihre Bücher hier finden.
Dienstag, 2. Mai 2023
Rutherfurd, Edward "New York"
Ich bin traurig. Weil dies das letzte Buch ist, das ich von Edward Rutherfurd gelesen habe. Zumindest vorerst. Ich hoffe er schreibt noch mehr. Und Hoffnung gibt es. Auf seiner offiziellen Webseite (hier) hat er eine Kategorie mit interessanten Fakten über die Städte und Länder, über die er bisher geschrieben hat, und es gibt ein paar Fakten über Ägypten. Vielleicht arbeitet er an einem neuen Buch über Ägypten. Wäre ein schönes Thema. Falls Sie keine anderen Ideen haben, Mr. Rutherfurd, ein paar Themen würden sicherlich gut ankommen: Wikinger, Römer, Osmanen, Deutschland/Preußen/Goten, Südamerika, Japan, Arabien, Palästina/Israel … Ich könnte Bücher von Ihnen zu jedem der Themen lesen. Oder ein beliebiges Thema Ihrer Wahl. Schreiben Sie einfach ein weiteres Buch. Danke schön!
New York ist der Schmelztiegel der Welt. Die Menschen kommen von überall, aber am Anfang hauptsächlich aus den Niederlanden und England, dann folgen andere Nationen, Italiener, Deutsche, Sklaven aus Afrika, Flüchtlinge aus aller Herren Länder, so dass man am Ende nicht einmal erahnen kann, dass ein ganz anderes Volk hier gelebt hat, bevor die Europäer es zu ihrer zweiten Heimat machten. Aber auch die amerikanischen Ureinwohner tauchen auf.
1664 heißt die Stadt immer noch New Amsterdam und wir lernen einige der ersten europäischen Einwohner kennen, die Familie van Dyck aus den Niederlanden, der sich schnell die Masters aus England anschlossen. Und es sind diese beiden Familien, die das Buch als Beispiele für die New Yorker nimmt. Andere Charaktere folgen langsam, der Sklave Quash, die O'Donnells und die Kellers, die Whites und die Carusos, die Adlers und die Cohens und all ihre Nachkommen. Es gibt eine Familie für jeden ethnischen Hintergrund des Big Apple. Wir verfolgen die Geschichte durch diese Charaktere, lernen aber auch die berühmten Persönlichkeiten der Jahrhunderte kennen, beginnend mit George Washington. Von den Anfängen der Stadt, als es noch eine kleine Siedlung war, die zur Kolonialprovinz Neu-Niederlande und damit zur niederländischen Republik gehörte, über die Jahre als englische Kolonie, den Unabhängigkeitskrieg und alle anderen nachfolgenden Kriege, die Auswirkungen auf die Stadt hatten, ihren Aufstieg zu einem wichtigen Handelszentrum sowie ihre diversen Börsenkräche. Und wir sehen den Anschlag vom 11. September sowie dessen Folgen.
Niemand kann Geschichte besser in sehr lesenswerte Romane packen als Edward Rutherfurd. Aber solltet ihr andere großartige Bücher wie dieses kennen, lasst es mich bitte wissen.
Und hier ist ein hervorragendes Zitat, das in jedem Buch stehen könnte:
"Wer ein gutes Buch zerstört, tötet die Vernunft selbst."
Buchbeschreibung:
"Rutherfurd erzählt die Schicksale von vier Familien - einer holländischen, deutschen, britischen und einer italienischen -, in denen sich die ganze Geschichte der aufregendsten Metropole der Welt widerspiegelt: von den Anfängen im 17. Jahrhundert, als in 'Neu- Amsterdam' Pelz und Branntwein gehandelt wurde, über die Freiheitsbestrebungen und den Bürgerkrieg bis zu den großen Finanzcrashs des 20. Jahrhunderts. Ein großes Epos voller Liebe und Abenteuer und aufregender Porträts historischer Persönlichkeiten.
Rutherfurds farbenprächtiges Familienepos zeichnet die Geschichte New Yorks von seiner Gründung bis in unsere Zeit nach. Zahlreiche historische Persönlichkeiten wie George Washington, Abraham Lincoln, Theodore Roosevelt oder der legendäre Bankier und Großunternehmer J. P. Morgan werden dem Leser in Nahaufnahme porträtiert. Und immer wieder wird deutlich, wie sehr auch deutsche Einwanderer - der aufsässige Gouverneur Johann Jakob Leisler, der unbeugsame Drucker J. P. Zengen oder der Multimillionär Johann Jakob Astor - die Geschichte dieser faszinierenden Stadt prägten."
Einen Link zu all meinen Beschreibungen seiner anderen Romane findet ihr hier.