Samstag, 9. Juli 2022

Zweig, Stefanie "Die Bücher aus der Rothschildallee"

Ich habe Stefanie Zweigs Bücher über die Famliie Sternberg aus der Rothschildallee nicht alle direkt hintereinander gelesen, aber ich werde sie hier alle auf einmal beschreiben. Sie gehören zusammen.

Zweig, Stefanie "Das Haus in der Rothschildallee" (Familie Sternberg #1) [The House of Rothschild Avenue] - 2007

Stefanie Zweig ist meine absolute deutsche Lieblingsschriftstellerin. Also ist es sicher nicht erstaunlich, dass mir auch dieses Buch ausgezeichnet gefallen hat.

Im "Haus in der Rothschildallee" schildert sie das Leben der jüdischen Familie Sternberg zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Zu Beginn wird noch ausgelassen der Geburtstag des Kaisers gefeiert, die Familie Sternberg ist reich und angesehen. Man fährt zur Kur nach Baden-Baden, man hat ein großes Mietshaus, man bestellt ein Auto. Dann kommt der erste Weltkrieg, der Sohn meldet sich sofort, das Vaterland zu verteidigen. Aber so nach und nach merken die Sternbergs, wie sie immer mehr in die Ecke gestellt werden, wie ihr Ansehen leidet, wie sie nur noch negativ als Juden beurteilt werden und nicht mehr als Mitmenschen.

Stefanie Zweig beschreibt ausgezeichnet, wie sich diese unsere Mitmenschen damals gefühlt haben, sie gaben ihr Leben (oder das ihrer Kinder) für ein Vaterland, das sie nicht wollte.

Stefanie Zweig kennt sich nicht nur in Frankfurt aus, wo sie seit ihrer Rückkehr aus Afrika vor mehr als sechzig Jahren wohnt, nein, sie kennt auch das Haus in der Rothschildallee in- und auswendig, schließlich ist es seitdem ihr Zuhause.

Ein wahrhaft faszinierender Roman, eine hervorragende "Fortsetzung" von "Nirgendwo in Afrika" und "Irgendwo in Deutschland". Wem diese Bücher gefallen haben, wird auch die Geschichte der Sternbergs nicht mehr loslassen.

Buchbeschreibung:

"Die trügerische Idylle Anfang des 20. Jahrhunderts virtuos verwoben mit dem tragischen Schicksal einer Familie.Keine dunkle Wolke scheint das Leben von Johann Isidor Sternberg und seiner Familie an des Kaisers Geburtstag, am 27. Januar 1900, zu trüben. Doch die harmonische Idylle erfährt bald ihre ersten Brüche ... Mit einfühlsamen Bildern, einer Liebe zum historischen Detail und tiefer Menschlichkeit beschreibt die Bestsellerautorin das Leben einer jüdischen Familie in Frankfurt bis in die Zwanzigerjahre. Das Haus in der Rothschildallee wird zum Symbol einer Zeit, die die Geschichte Deutschlands für immer bestimmt hat."


Zweig, Stefanie "Die Kinder der Rothschildallee" (Familie Sternberg #2) [The Children of Rothschild Avenue] - 2009

Das Leben geht weiter für den Rest der Sternbergs, allerdings nicht so wie bisher. In diesem Teil der Geschichte erfahren wir, wie es weitergeht, wie Menschen regelrecht aus dem Leben ausgeschlossen werden.

Und was macht man, wenn man in der "Heimat" keine Heimat mehr findet. Ganz klar, man wandert aus, wenn man es denn noch schafft.

Auch fast hundert Jahre später ist dies immer noch kaum fassbar.

Buchbeschreibung:

"Der Boykott der jüdischen Geschäfte im April 1933 nimmt dem Kaufmann Johann Isidor Sternberg jede Hoffnung auf eine Zukunft in Deutschland. Er, seine Frau Betsy, die Kinder und Enkel werden zu Aussätzigen in ihrer geliebten Heimatstadt Frankfurt. Die Nazis nehmen ihnen Arbeit, Sicherheit und schließlich die Heimat. Die Bedrohung ihres Lebens wird für die jüdische Familie Sternberg zur schrecklichen Normalität."


Zweig, Stefanie "Heimkehr in die Rothschildallee" (Familie Sternberg #3) [Homecoming to Rothschild Avenue] - 2010


Was die Sternbergs alle erleben mussten, wie es ihnen im Krieg ergangen ist, wer aus dem KZ wieder nach Hause kamen, das alles erfährt man in diesem Band. Die Heimkehr ist fast noch schlimmer als die Erfahrungen in Deutschland vor und während des Krieges, haben die Übriggebliebenen doch mit vielen Erinnerungen zu kämpfen.

Und dann ist da noch ein Zitat, dass ich leider nur allzugut verstehen kann, weil ich es auch mehr als ein halbes Jahrhundert nach den Sternbergs noch erlebt habe. Ich kann nicht von sämtlichen "Holländern" (oder "Niederländern") reden, denn es gibt zum Glück genug, die das nicht so sehen, aber leider gibt es noch viele von der beschriebenen Sorte, zu viele.

"Für die Holländer bleibe ich ein Moffe, ein verachtenswerter Deutscher. Kein Volk ist in Holland unbeliebter als die Deutschen, während sämtliche Holländer, die mir heute über den Weg laufen, gestern Widerstandskämpfer gewesen sind und persönlich dafür gesorgt haben, dass Hitler den Krieg verloren hat."

Buchbeschreibung:

"Dieses Buch lässt niemanden unberührt. In letzter Minute wird die zehnjährige Fanny von der mutigen Anna vor der Deportation gerettet. Ihre Großmutter Betsy überlebt Theresienstadt, verliert Mann, Tochter und Enkelsohn und stellt sich doch dem Leben - zwei Wunder aus einer Zeit, in der Tragödie und Hoffnung so dicht beieinanderstanden wie nie zuvor. Der dritte Teil der Familienchronik schildert, wie es jenen Mitgliedern der Familie Sternberg erging, die den Mördern entkommen konnten und nun in der ganzen Welt verstreut sind. Er ist auch eine Hommage an die Frauen Deutschlands, die in den Ruinen vor den Trümmern des Lebens standen und die doch nicht aufgaben."

Zweig, Stefanie "Neubeginn in die Rothschildallee" (Familie Sternberg #4) [A New Beginning on Rothschild Avenue] - 2010

Den Sternbergs gelingt es, in ihr altes Haus wieder einziehen können. Das ist natürlich schon fast ein Wunder, vielen ist dieses nicht gelungen.

Wie es der Familie nun ergeht, wird im vierten Roman beschrieben. Mit vielen Details und sehr mitfühlend. Wer Stefanie Zweig mag, sollte diesen Vierteiler unbedingt lesen.

Buchbeschreibung:

"Kann Deutschland wieder Heimat sein? Der neue Roman der Bestsellerautorin Stefanie Zweig. 'Mit den Kindern stirbt auch die Hoffnung nicht', sagt Betsy Sternberg, als sie 1948 wieder in die alte Wohnung in der Rothschildallee zieht. Die Bombenschäden sind behoben, der Kirschbaum im Hinterhof ist noch da, die Vögel zwitschern frohe Lieder, doch für die Überlebenden der Familie Sternberg gibt es kein Zurück in das alte Leben. Zukunft, Heimat, Sicherheit sind für sie Worte ohne Bedeutung. In dieser Atmosphäre geschieht ein für diese Zeit nicht alltägliches Wunder: Im Hausflur steht Erwin, der nach Palästina ausgewanderte Sohn ... Aufrüttelnd, bewegend."

Das beste Zitat ist wohl noch die Aussage der Köchin Johanna, als sie erfährt, dass ihre neue "Herrschaft" jüdisch ist: "Macht nichts, ihr seid's ja auch Menschen." Wenn das doch nur alle so sehen könnten!

Eine "richtige" Fortsetzung von "Nirgendwo in Afrika" und "Irgendwo in Deutschland" findet man in Stefanie Zweigs Biografie "Nirgendwo war Heimat".

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