Montag, 18. September 2023
Westover, Tara "Befreit"
Dieses Buch steht schon seit einiger Zeit auf meiner Wunschliste. Aber wie ihr alle wisst, zu viele Bücher, zu wenig Zeit. Aber ein Lesekreismitglied hat es in letzter Zeit mehrmals empfohlen und so musste ich einfach zugreifen.
Sie hatte recht,es war ein hochinteressantes Buch. Die Autorin stammt aus einem Mormonenhaushalt und wurde zu Hause unterrichtet – oder besser gesagt nicht unterrichtet. Ich bin kein großer Fan von Heimunterricht, da ich zu viele negative Beispiele gesehen habe. Dies hier ist eines der Schlimmsten. Allerdings muss ich zugeben, dass ich auch ein paar gute Beispiele kenne, aber sie überzeugen mich immer noch nicht davon, dass es eine gute Idee ist. In diesen Fällen waren die Eltern selbst sehr gebildet und konnten dies sehr gut weitergeben. Ich habe vielen Kindern geholfen, in der Schule in Sprachen und Mathematik aufzuholen, aber ich hätte meine Kinder bemitleidet, wenn ich ihnen irgendein naturwissenschaftliches Fach hätte beibringen müssen.
Wie auch immer, Tara ist in einer Familie mit vielen Problemen aufgewachsen. Sie glaubt, dass ihr Vater bipolar war, und ich glaube, sie hatte Recht. Ihr Bruder war gewalttätigt, er missbrauchte seine jüngeren Geschwister sowohl körperlich als auch geistig, er behandelte niemanden gut, was sie erst erfuhren, als sie erwachsen waren.
Tara schaffte es, eine Ausbildung zu machen, sie besuchte sogar die Universität. Ganz alleine. Das zeigt, was für ein starker Charakter sie war, denn die meisten ihrer Geschwister kamen nicht weit. Und ich bin mir sicher, dass die meisten Menschen das auch nicht geschafft hätten. Dafür kann ich ihr nur applaudieren und sie bewundern. Und ich hoffe, dass einige Leute nach der Lektüre Hilfe bekommen. Auf jeden Fall ist es ein sehr lesenswertes Buch.
Buchbeschreibung:
"Tara Westover ist 17 Jahre alt, als sie zum ersten Mal eine Schulklasse betritt. Zehn Jahre später kann sie eine beeindruckende akademische Laufbahn vorweisen. Aufgewachsen im ländlichen Amerika, befreit sie sich aus einer ärmlichen, archaischen und von Paranoia und Gewalt geprägten Welt durch - Bildung, durch die Aneignung von Wissen, das ihr so lange vorenthalten worden war. Die Berge Idahos sind Taras Heimat, sie lebt als Kind im Einklang mit der grandiosen Natur, mit dem Wechsel der Jahreszeiten - und mit den Gesetzen, die ihr Vater aufstellt. Er ist ein fundamentalistischer Mormone, vom baldigen Ende der Welt überzeugt und voller Misstrauen gegenüber dem Staat, von dem er sich verfolgt sieht. Tara und ihre Geschwister gehen nicht zur Schule, sie haben keine Geburtsurkunden, und ein Arzt wird selbst bei fürchterlichsten Verletzungen nicht gerufen. Und die kommen häufig vor, denn die Kinder müssen bei der schweren Arbeit auf Vaters Schrottplatz helfen, um über die Runden zu kommen. Taras Mutter, die einzige Hebamme in der Gegend, heilt die Wunden mit ihren Kräutern. Nichts ist dieser Welt ferner als Bildung. Und doch findet Tara die Kraft, sich auf die Aufnahmeprüfung fürs College vorzubereiten, auch wenn sie quasi bei null anfangen muss … Wie Tara Westover sich aus dieser Welt befreit, überhaupt erst einmal ein Bewusstsein von sich selbst entwickelt, um den schmerzhaften Abnabelungsprozess von ihrer Familie bewältigen zu können, das beschreibt sie in diesem ergreifenden und wunderbar poetischen Buch."
Samstag, 16. September 2023
Nadolny, Sten "Die Entdeckung der Langsamkeit"
Ein wunderbarer Bericht über sein Leben und seine Entdeckungen, aber auch eine großartige Beschreibung, wie etwas, das normalerweise als negativ angesehen wird, in diesem Fall eine "Langsamkeit", die als "geistige Behinderung" angesehen wird, zum Guten von etwas genutzt werden kann. In diesem Fall ermöglicht die "Langsamkeit" der Figur, sich besser auf das zu konzentrieren, was sie erreichen möchte.
Sehr gut geschrieben, interessante Perspektive, mir hat dieses Buch wirklich gefallen.
Buchbeschreibung:
"'Die Entdeckung der Langsamkeit' ist Seefahrer-, Abenteuer- und Entwicklungsroman zugleich. Unnachahmlich erzählt er von der Langsamkeit als Lebensprinzip. Zum 65. Geburtstag Sten Nadolnys in neuer Ausstattung und mit ausführlichem Nachwort des Autors. Sten Nadolnys vielfach preisgekrönter Roman über den Arktisfahrer John Franklin ist seit seinem Erscheinen 1983 zum Weltbestseller und modernen Klassiker geworden. 'Die Entdeckung der Langsamkeit' erzählt die abenteuerliche Lebensgeschichte des Seefahrers John Franklin, der von der Entdeckung der legendären Nordwestpassage träumt und dem die Bedächtigkeit zum erfolgreichen Lebensprinzip wird. Bis heute fand Nadolnys zeitloser Roman über die Kunst der Langsamkeit allein in Deutschland mehr als 1,5 Millionen Leser."
Freitag, 15. September 2023
Gavalda, Anna "Zusammen ist man weniger allein"
Das einzige Vergnügen, das ich an diesem Buch hatte, war, dass ich es auf Französisch las.
Übrigens waren wir uns alle einig, dass der englische Titel "Jagen und Sammeln" total dumm war. Der deutsche kommt dem Originaltitel schon näher.
Buchbeschreibung:
"Anna Gavalda ist eine Art literarische Fachfrau fürs Verlassen und Verlassenwerden, für missglückte Leben und Lieben - Lieben, in denen sich nicht zuletzt die Dinge selbst gegen zwischenmenschliche Beziehungen verschwören. In ihrem Überraschungserfolg Ich wünsche mir, daß irgendwo jemand auf mich wartet waren es unter anderem ein Handy, ein Sportwagen und ein IKEA-Bett, die das Zusammenleben zwischen Mann und Frau auf recht unterschiedliche Arten und Weisen zumindest im Wege standen. Und in dem Nachfolgeband Ich habe sie geliebt muss die Protagonistin erfahren, dass sie sich mit ihrem Mann (wegen eines knarrenden Bettgestells) wohl allzu diskret geliebt hat, um ihr gegenseitiges Begehren über die Jahre zu retten. In Gavaldas - im Übrigen wieder einmal wundervoll einfühlsam von Ina Kronenberger ins Deutsche übertragenen - Roman Zusammen ist man weniger allein nun geht es einmal mehr um die Sehnsucht nach Liebe und Geborgenheit: an Hand von Menschen, die in einer Pariser Wohngemeinschaft eher zufällig zusammengekommen sind.
Da ist der schüchterne Philibert, von Geburt her von Adel, aber im Verhältnis zu Frauen eher ein Kretin: ganz im Gegensatz zu Franck, einem gutmütigen Koch, der seine geliebte, schon etwas sehr altersschwache Großmutter Paulette durchs Leben bringt. Und da ist natürlich noch Camille, die den Gaumenfreuden Francks krankhaft widersteht - und im Alltag zwar als Putzfrau arbeiten muss, eigentlich aber eine künstlerische Karriere verdient hätte. Eine verrückte Vierergruppe, die das Leben zusammengespült hat.
Zusammen ist man weniger allein ist eine Art moderner Variante von Goethes Wahlverwandtschaften, wobei nie so ganz sicher ist, ob die Chemie zwischen den Figuren stimmt, und eigentlich auch ohne Wahl. Aber es ist nicht nur dicker, sondern auch etwas fröhlicher und glücklicher als Gavaldas frühere Bücher. Und das tut der Geschichte keinen Abbruch - ganz im Gegenteil. Überaus vergnüglich, witzig, und nur manchmal traurig. - Stefan Kellerer"
Wir haben dies im Februar 2007 in unserem internationalen Lesekreis besprochen.Mittwoch, 13. September 2023
Akyün, Hatice "Einmal Hans mit scharfer Soße"
Akyün, Hatice "Einmal Hans mit scharfer Soße. Leben in zwei Welten" [Once Hans with Hot Sauce. Living in Two Worlds] - 2005
Ich hatte mir von diesem Buch etwas anderes versprochen. Ich habe schon oft Bücher von Immigranten und Immigrantenkindern und Menschen mit "Migrantenhintergrund" gelesen (zuletzt "Das Geheimnis meiner türkischen Großmutter" von Dilek Güngör) und fand sie eigentlich immer recht gut. Aber dieses hier. Nun ja, vielleicht gefällt mir die Autorin nicht. Zum einen ist das halbe Buch voll von Beschreibungen ihrer Schuhe und Kleidung, mit so etwas kann ich erst mal gar nichts anfangen. Das ist für mich "Chick Lit", billigster Liebesromankitsch.
Zum anderen hat sie Wünsche, die mache vielleicht noch nachvollziehen können, die aber genauso unerfüllbar sind wie ein Flaschengeist. Sie möchte einen Deutschen, der aber türkische Manieren hat, abe rnicht zu türkisch, bloß nicht zu türkisch, sie will ja einen Deutschen. Also was nun? Und auch, wenn sie für den Wunsch ihrer Eltern, sie so schnell wie möglich unter die Haube zu bringen, kein Verständnis aufbringt, ist sie doch dauernd auf der Suche nach ihrem "Traumhans". Überhaupt der Name Hans und Helga für alle Deutschen. Ich kenne vielleicht mal zwei Männer mit Namen Hans und zwei Frauen mit Namen Helga. Elisabeth oder Maria für Frauen der Helga-Generation, Josef und Peter statt Hans, hätte ich noch verstanden, aber Hans und Helga? LOL
Na ja, es war nicht mein Ding. Und ich glaube auch nicht, dass ich mir den Film antuen möchte.
Buchbeschreibung:
"Der Multikulti-Alltag einer selbstbewussten Deutsch-Türkin - erfolgreich verfilmt von Grimme-Preisträgerin Buket Alakus
1001 Geschichten aus einem Leben zwischen Berlin und dem Bosporus: Amüsant und pointiert rückt Hatice Akyün den Eigenarten von Türken und Deutschen zu Leibe.
'Hans und Helga heißen alle Deutschen bei uns Türken', schreibt Hatice Akyün, 'und jedes Mal, wenn ich in die Türkei fahre, heißt es: ‚Hast du jetzt endlich einen Hans gefunden?‘ Natürlich habe ich ihn noch nicht gefunden. Ein Hans, der galant genug wäre, mir beim ersten Date - wie in der Türkei üblich - die Autotür aufzuhalten, ist mir noch nicht begegnet. Und türkische Männer trauen sich nicht mehr in meine Nähe. Seither bin ich das Sorgenkind meiner Familie. Sie kennen meine Familie noch nicht? Dann kommen Sie her, und setzen Sie sich, und vergessen Sie nicht, etwas zu essen mitzubringen, denn das macht man so bei uns. Ich entführe Sie in ein Deutschland, das Sie unter Garantie noch nicht kennen. Geschichten aus 1001 Nächten im Ruhrpott, nachdem mein Vater nach Deutschland gekommen ist, um hier zu arbeiten. Stellen Sie sich auf eine längere Reise ein, denn es geht um so etwas wie den Eintritt in ein anderes Universum.'
Hatice Akyüns autobiographisch gefärbter Bestseller wurde 2014 von Grimme-Preisträgerin Buket Alakus mit großartigen Schauspielern, viel Humor und spürbarer Liebe zu den Figuren als charmante deutsch-türkische Komödie erfolgreich verfilmt."
Montag, 11. September 2023
Moggach, Deborah "Die Liebe einer Tochter"
Man kann die beiden Bücher überhaupt nicht vergleichen. Nicht nur, weil es sich um ein anderes Thema handelt. Es liest sich einfach eher wie seichte Mädelsliteratur, getarnt als ernster Roman.
Während dies ein großartiger Roman über das Altern und darüber sein könnte, wie die Pflege eines senilen Vaters alle Ressourcen und Energie in Anspruch nehmen kann, entwickelte sich die Geschichte mehr und mehr zu einer Seifenoper voller Familiengeheimnisse. Ich hätte auf all das verzichten können und es wäre vielleicht ein brillanter Roman geworden. Dies ist einfach sehr unwirklich. Fehlt nur noch ein Mord und die Landung eines außerirdischen Raumchiffes, dann wären alle Genres abgedeckt.
Laut Goodreads ist der Roman humorvoll. Das konnte ich nicht erkennen.
Buchbeschreibung:
"Mehr als eine Haushaltshilfe hat der 80-jährige emeritierte Hochschullehrer James bereits in die Flucht geschlagen - bis Mandy kommt, mit Leggings und Glitzer-Oberteilen, ein bisschen zu laut und zu bunt. Warmherzig und pragmatisch bringt sie frischen Wind nicht nur in James‘ zurückgezogenes Leben. Phoebe und Robert erkennen ihren Vater kaum wieder: Er, der sich dem Familienleben meist entzogen, niemals eine Sportveranstaltung seiner Kinder besucht oder Freizeit mit ihnen verbracht hat, schwärmt von den Ausflügen mit Mandy, von Zoo-Besuchen und Einkaufsbummeln und schaut sich Quizsendungen im Fernsehen mit ihr an. Mandy scheint ihn komplett um den Finger gewickelt zu haben. Zunächst erleichtert, werden die Geschwister misstrauisch ...
Doch dann geschieht etwas völlig Unerwartetes … und alle müssen ihr Leben und ihre Beziehungen zueinander neu überdenken."
Samstag, 9. September 2023
Taschler, Judith W. "Sommer wie Winter"
Taschler, Judith W. "Sommer wie Winter" [Summer and Winter] - 2011
Ich habe von der Autorin bereits "Roman ohne U" gelesen und fand ihn hervorragend. Ich dachte, dies sei ein neuer Roman, als ich ihn in meiner Buchhandlung fand. Nachdem ich ihn beendet hatte, stellte ich fest, dass dies ihr erstes Buch war. Respekt. Ich wundere mich nicht, dass noch mehr dazukamen.
Ich kann wenig zum Verlauf der Geschichte erzählen, die Buchbeschreibung sagt schon fast zu viel. Das Buch ist wirklich total spannend und man will wissen, was in dem Dorf passiert ist, wie es dazu kam, dass alle im Krankenhaus liegen und den Vorfall nun erzählen müssen. Das Buch ist hervorragend geschrieben, spannend wie ein Krimi. Oder ein Psychothriller. Obwohl es beides nicht ist. Aber eben total interessant.
Ich kann dieses Buch nur empfehlen und werde sicher noch mehr Bücher von Judith W. Taschler lesen.
Buchbeschreibung:
"In einem Krankenhaus in der österreichischen Provinz wird eine Familie behandelt, sechs Menschen, zwei von ihnen schwer verletzt. Sie alle erzählen einem Therapeuten ihre Geschichte.
In einem Bergdorf führten sie einen Hof mit einer Pension für Touristen, die sie beneideten um ihr einfaches, naturverbundenes Leben. Doch unter der scheinbaren Idylle brodelte es.
Zorn, Neid und Eifersucht herrschten, auch wenn neimand darüber sprach. Bis es zu spät war und etwas Schreckliches passierte …"