Mittwoch, 27. April 2022

Boschwitz, Ulrich Alexander "Der Reisende"

Boschwitz, Ulrich Alexander "Der Reisende" - The Passenger/The Fugitive - 1939

Ich hatte noch nie von diesem Autor gehört, als ich das Buch in einer Buchhandlung fand. Aber die Beschreibung klang interessant, ein Buch, das man lesen musste. Also kaufte ich es. Offenbar wurde dieser Roman zuerst als Übersetzung ins Englische als "The man who took trains" (Der Mann, der Züge nahm) in Großbritannien und "The Fugitive" (Der Flüchtling) in den USA unter dem Pseudonym John Grane veröffentlicht. Posthum. Weil sein Schicksal auch eine interessante Geschichte abgeben würde. Wie so viele Juden konnte er nicht fliehen, er war Jude in Deutschland und Nazi in anderen Ländern. Also internierten ihn die Briten als "enemy alien" (feindlicher Ausländer) und schickten ihn nach Australien. Als er nach Europa zurückkehrte, wurde sein Schiff torpediert und sank, und mit ihm der Autor und sein letztes Manuskript. Denken wir an Menschen wie ihn, wenn wir Flüchtlinge nicht willkommen heißen.

Man sieht, wie sich der Protagonist mit den Umständen verändert, in denen er sich befindet. Wie er zunächst glaubt, dass seine arischen Freunde ihm helfen werden, wie er dann denkt, mit dem Geld, das ihm bleibt, kann er entkommen, wie er immer wieder versucht, Deutschland zu verlassen und das Schicksal eines sicheren Todes.

Ulrich Alexander Boschwitz war erst 23 Jahre alt, als er dieses Buch schrieb, aber ich denke, man merkt, dass er weise über sein Alter hinaus war, wahrscheinlich für all die Ereignisse, die er gesehen und durchleben musste.

Das Buch "verschwand" für mehrere Jahrzehnte. Ich bin froh, dass es wieder gefunden wurde.

Unbedingt lesenswert!

Buchbeschreibung:

"Deutschland im November 1938. Otto Silbermanns Verwandte und Freunde sind verhaftet oder verschwunden. Er selbst versucht, unsichtbar zu bleiben, nimmt Zug um Zug, reist quer durchs Land. Inmitten des Ausnahmezustands. Er beobachtet die Gleichgültigkeit der Masse, das Mitleid einiger Weniger. Und auch die eigene Angst.

Der jüdische Kaufmann Otto Silbermann, ein angesehenes Mitglied der Gesellschaft, wird in Folge der Novemberpogrome aus seiner Wohnung vertrieben und um sein Geschäft gebracht. Mit einer Aktentasche voll Geld, das er vor den Häschern des Naziregimes retten konnte, reist er ziellos umher. Zunächst glaubt er noch, ins Ausland fliehen zu können. Sein Versuch, illegal die Grenze zu überqueren, scheitert jedoch. Also nimmt er Zuflucht in der Reichsbahn, verbringt seine Tage in Zügen, auf Bahnsteigen, in Bahnhofsrestaurants. Er trifft auf Flüchtlinge und Nazis, auf gute wie auf schlechte Menschen. Noch nie hat man die Atmosphäre im Deutschland dieser Zeit auf so unmittelbare Weise nachempfinden können. Denn in den Gesprächen, die Silbermann führt und mithört, spiegelt sich eindrücklich die schreckenerregende Lebenswirklichkeit jener Tage.
"

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