Rushdie, Salman "Die Satanischen Verse" (Englisch: The Satanic Verses) - 1988 Eines Tages schrieb Emma von Words and Peace über Salman Rushdie. Ich erwähnte, dass ich "Die Satanischen Verse" noch auf meinem SUB hatte, und sie schlug vor, es gemeinsam zu lesen. Ich hatte das noch nie gemacht, aber Emma ist eine echte Expertin. Also postete ich das auf meinem Blog und wartete auf den Monatsanfang, während ich in der Zwischenzeit den ersten Teil las.
Ich muss dazu erklären, dass Emma und ich in sechs verschiedenen Ländern gelebt haben. Ich habe außer in in meinem Geburtsland Deutschland noch in Belgien, England und den Niederlanden gelebt. Emma ist Französin und lebt mit ihrem amerikanischen Mann in den USA. Ich glaube, dies hat viel zu unserem Verständnis zu dem Buch beigetragen.
Da dies jetzt schon eine Weile her ist, werde ich die Fragen und Antworten alle in diesen einen Beitrag packen, unten stehen die Links zu den ursprünglichen Fragen.
Hier sind die Fragen zur Einführung.
1. Habt ihr schon einmal ein anderes Buch von Salman Rushdie gelesen? Hat es euch gefallen?
Meine Antworten (Marianne @ Let's Read):
Ich habe "Mitternachtskinder" (Midnight Children) 2016 gelesen. Es war nicht gerade leicht, aber ich bin froh, dass ich es gelesen habe. Vielleicht ist das einer der Gründe, warum ich so lange gebraucht habe, um zu einem seiner anderen Bücher zu gelangen.
Emmas Antworten (Emma @ Words and Peace):
Ich glaube, dieses Buch ist auch eines seiner wichtigsten.
Ich persönlich bin durch die Hintertür zu Salman Rushdie gekommen. Wegen der Kontroverse um dieses Buch habe ich ihn jahrzehntelang ignoriert, weil ich dachte, seine Bücher würden mich nicht interessieren.
Dann sah ich eines Tages einen faszinierenden Vortrag, den er 2015 an der Emory University hielt. Er sprach über die Klassiker, die in seinem Leben so wichtig waren. Der Vortrag heißt "Meine großen Bücher" (My Great Books). Ich fand ihn sehr inspirierend und begann zu denken, dass dieser Mann ein Genie war und neben seinem inzwischen verstorbenen Freund Umberto Eco zu den brillantesten Köpfen unserer Zeit gehörte.
2019 habe ich Cervantes‘ "Don Quijote" (Don Quixote) gelesen.
Kurz nachdem ich Don Quixote beendet hatte, erfuhr ich, dass Salman Rushdie ein neues Buch veröffentlichte – seine eigene Interpretation dieses Meisterwerks. Ich dachte also, das wäre die perfekte Gelegenheit, Rushdies Werk besser kennenzulernen, und sein Quijote hat mir sehr gut gefallen.
Im vergangenen Juli las ich seine neueste Essaysammlung mit dem Titel "Sprachen der Wahrheit" (Languages of Truth). Ich fand seine Wortgewandtheit brillant, auch wenn ich ihm in einigen Punkten widersprach.
Jetzt ist es endlich an der Zeit, seine berühmtesten und ältesten Werke zu lesen!
2. Mit welchen Gefühlen und Erwartungen geht ihr an "Die Satanischen Verse"?
M: Ich bin etwas besorgt, da ich mit seinem anderen Buch Schwierigkeiten hatte, aber auch ziemlich gespannt, weil ich so viel darüber gehört habe und unbedingt wissen möchte, worum es geht.
E: Ich habe gehört, dass das Werk sowohl in seiner Struktur als auch in seinem Inhalt anspruchsvoll ist, daher bin ich auch etwas besorgt. Aber wir haben den Vorteil, dass das Buch vor einigen Jahrzehnten geschrieben wurde und viele Analysen und Kommentare enthält. Ich bin daher zuversichtlich, dass wir bei Bedarf Hilfe finden können.
Ich vertraue auch darauf, dass uns das gemeinsame Lesen und der Austausch unserer Fragen definitiv dabei helfen wird, tiefer zu gehen.
Ein weiterer Grund für meine Bedenken ist der religiöse Inhalt. Ich bin sehr engagiert in meinen religiösen Überzeugungen und meiner Lebensweise. Aber ich habe gelernt, Rushdies abweichende Ansichten zur Religion zu respektieren, daher hoffe ich, dass dies meiner Wertschätzung dieses Buches nicht im Wege steht.
3. Was habt ihr bisher über dieses Buch gehört?
M: Vor allem die Kontroversen, den Skandal um diesen Roman, die Morddrohungen, die er erhielt. Und dass es ein magisch-realistischer Roman ist.
E: Nicht viel, außer dass es eine anspruchsvolle Lektüre ist und die damit verbundenen Kontroversen.
4. Seid ihr mit der Kontroverse um "Die Satanischen Verse" vertraut?
M: Ich habe viel darüber gelesen, es war ständig in den Nachrichten, als es zuerst veröffentlicht wurde.
E: Auch in Frankreich, wo ich damals wohnte aufhielt, war das Thema ein wichtiger Teil der Nachrichten. Aber ich glaube, ich habe nicht besonders darauf geachtet, warum er genau für das Schreiben dieses Buches bedroht wurde. Deshalb bin ich jetzt auch neugierig darauf.
5. Habt ihr einen anderen Roman gelesen, der sich mit dem Islam oder den Religionen in Indien beschäftigt?
M: Viele. Ich habe 38 Bücher (imzwischen 48) über Indien und 50 (58) über den Islam auf meinem Blog. Wir haben viele türkische Nachkommen in Deutschland, daher ist es immer ein Anreiz, über ihre Religion zu lesen.
E: Wow, das ist beeindruckend!
Ehrlich gesagt habe ich ein paar Bücher über Indien gelesen, aber in letzter Zeit habe ich versucht, das Thema zu meiden, da ich die meisten davon zu deprimierend fand.
Obwohl mir "Der weiße Tiger" (The White Tiger) von Aravind Adiga sehr gut gefallen hat.
Ich habe nur wenige Bücher über den Islam gelesen. Das neueste ist "Celestial Bodies" von Jokha Alharthi über das Leben im Oman, das mich nicht sehr beeindruckt hat.
Amerikanischer Derwisch von Ayad Akhtar hat mir besser gefallen.
6. Die meisten Leser ordnen diesen Roman dem Genre des Magischen Realismus zu. Manche klassifizieren ihn als Fantasy. Lest ihr oft Bücher dieser Genres? Habt ihrLieblingsbücher dieser Genres?
M: Ich würde nicht sagen, dass es mein Lieblingsgenre ist, aber als ich meine Liste überprüft habe, fand ich auf meinem Blog 53 Bücher (), die zur Kategorie Magischer Realismus gehören.
Meine Favoriten sind die von Carlos Ruiz Zafón, Gabriel García Márquez und Isabel Allende. Und ich habe "Das dunkelste Blau" von Tracy Chevalier, "Wenn ein Reisender in einer Winternacht" von Italo Calvino (absolut brillant), "Menschenkind" von Toni Morrison, "Die Farbe Lila" von Alice Walker und "Mudwoman" von Joyce Carol Oates (eine meiner Lieblingsautorinnen) geliebt.
E: Mit wenigen Ausnahmen (Neil Gaiman) lese ich selten Fantasy.
Magischer Realismus, insbesondere Haruki Murakami, gefällt mir besser.
Du erwähnst Italo Calvino, den ich eigentlich nicht in diese Kategorie eingeordnet habe. Ich mag seine Bücher wirklich sehr, vor allem aber wegen seines ungewöhnlichen Schreibstils im Rahmen der Oulipo-Bewegung. Besonders gut hat mir "Wenn ein Reisender in einer Winternacht" (If on a Winter's Night a Traveler) gefallen.
7. "Die Satanischen Verse" ist ein umfangreiches Werk und wirkt anspruchsvoll. Habt ihr andere lange und anspruchsvolle Romane gelesen? Hat es euch gefallen?
M: Ich liebe lange und anspruchsvolle Bücher und lese sehr viele davon. Auf meinem Blog habe ich 104 (124) Wälzer mit über 450 Seiten. Nicht alle sind besonders anspruchsvoll, zumindest glaube ich das, aber die anspruchsvollen halten am längsten.
E: Lange Bücher schrecken mich auch nicht ab. Letzten Monat habe ich "Termination Shock" (Goodreads) von Neal Stephenson mit insgesamt 896 Seiten gelesen. Und viele französische Klassiker sind dick!
Ich habe oben Umberto Eco erwähnt. Normalerweise mag ich seine Bücher, aber manchmal enthalten sie mir zu viele obskure Anspielungen. Ich musste "Der Prager Friedhof" (The Prague Cemetery) (Goodreads) sogar zu Ende lesen.
Bei "Die Satanischen Verse" bin ich fest entschlossen, die Bedeutung der Anspielungen zu erforschen, die ich nicht verstehe.
Diskussionsfragen Teil 1 und 2
1. Der Engel Gibril
2. Mahound
1. Was haltet ihr vom Erzähler?
M: Am Anfang hatte ich nicht das Gefühl, dass es einen Erzähler gibt, sondern einfach ein Buch, das ich lese. Aber je weiter man in das Buch eindringt, desto stärker wird der Erzählanteil, da er immer wieder direkt mit dem Leser spricht. Ich denke, der Erzähler ist wichtig, damit wir erkennen, dass es sich um eine Geschichte handelt. Der Autor hat wahrscheinlich einige der Probleme, die er verursachen würde, vorausgesehen und sich deshalb vom Buch distanziert. Das hat nicht funktioniert.
E: Ich mag die Eigenart, die Ironie und den Humor. Ich denke, ihr Einsatz trägt auch dazu bei, Distanz zwischen Inhalt und Leser zu schaffen, was zur satirischen Absicht dieses Romans passt. Und ich sehe dieses metafiktionale Merkmal als ein Signal: Vorsicht, nicht wörtlich nehmen.
Außerdem ermöglicht es dem Autor, mehr Spaß zu haben, zum Beispiel sich selbst in den Roman einzubeziehen, wenn er Gibril beschreibt, insbesondere mit den "hängenden Augenlidern", einer Krankheit (Ptosis oder Blepharoptose), an der Salman Rushdie litt und die 1999, also elf Jahre nach der Veröffentlichung dieses Romans, eine Operation erforderte. Andernfalls hätte er seine Augen letztendlich nicht mehr öffnen können.
Da ich Ironie erwähnt habe, möchte ich hier näher darauf eingehen.
Ich sehe zwei ironische Effekte in Rushdies Mischung aus intellektuellen Wörtern und Verweisen auf Umgangssprache, Slang oder gesprochene Sprache. Ich habe festgestellt, dass ich einige Passagen besser verstehe, wenn ich sie laut lese, zum Beispiel den Ausdruck "no quesch". Es macht großen Spaß zu sehen, wie Rushdie Wörter so aneinanderfügt, wie man sie hören würde, wie zum Beispiel "Gracekali".
Auch seine Aufzählungen haben mir sehr gut gefallen! Zum Beispiel beim Fallen:
"Über, hinter, unter ihnen im leeren Raum hingen zurückgeklappte Sitez, Kopfhörer, Getränkewagen, Tüten für Flugkranke, Einwanderungsformulare, zollfreie Videospiele, bortenbesetzte Käppchen, Papierbecher, Decken, Sauerstoffmasken."
Der lustigste Teil des Abschnitts dieser Woche haben, ist für mich tatsächlich der Fall der beiden Helden mit ihren "heraldischen Posen, wuchernd, dösend, Leichtigkeit gegen Schwerkraft ausspielend", die "wie Tabakkrümel aus einer zerbrochenen alten Zigarre" oder wie Spermien, oder von einem Storch fallen gelassen werden, da ihr Fall ihnen die Wiedergeburt in einer anderen Gesellschaft ermöglichen wird.
Und ihr Fall ist auch eine Anspielung auf Alice im Wunderland, das hier ebenfalls zitiert wird.
Doch hinter ihrem Fall verbirgt sich eine sehr ernste Frage: "Ist Geburt immer ein Fall?" Muss ein Teil von uns sterben, um unseren Platz in einer anderen Gesellschaft einzunehmen? Ja, scheint die Antwort für Salman Rushdie zu sein, der das Leben als Migrant erlebt hat.
Und es gibt jede Menge Wortspiele, zum Beispiel "chair-men" im Zusammenhang mit dem Rollstuhlteam des Studios; die Erwähnung des "Mannes mit tausend Stimmen und einer Stimme"; der Name Eugene Dumsday; die reisende Matte vs. der fliegende Teppich; die urkomische Verwirrung und das Gespräch über "den christlichen Wächter“ und "Ellohenn Deeohenn", die ich nur verstand, als ich sie laut las und versuchte, einen indischen Akzent nachzuahmen!! Und vieles mehr!
2. 2. Zu Beginn erfahren wir vom Sturz der beiden Figuren aus dem Flugzeug. Ist dieser Sturz auch bildlich zu verstehen und wie führt er uns in den Roman ein?
M: Der Sturz könnte als Sündenfall interpretiert werden, für die Christen als Vertreibung aus dem Paradies. Wie es im Roman heißt: "Um wiedergeboren zu werden, muss man zuerst sterben." Das könnte bedeuten, dass sie dieses Leben verlassen müssen, um Erzengel und Teufel zu werden. Ich denke aber auch, dass es auf ihren Namens- und Persönlichkeitswechsel anspielt, als sie Indien verließen und sich in Großbritannien niederließen.
E: Ja, definitiv. Es geht um Transformation und Neuerfindung des Selbst, um die Komplexität der Identität und, soweit ich diesen Teil des Buches erkennen kann, auch um Chaos und Sinnlosigkeit in Teilen der indischen Gesellschaft. Sinnlosigkeit gibt es laut Erzähler und Autor offensichtlich auch in der Religion. Das spiegelt natürlich nicht meine eigene Meinung wider, aber dies ist Literatur, kein theologisches Buch.
Ich werde das Thema des Fallens vom Himmel weiter unten noch etwas genauer erwähnen, wenn ich mehr über Sure 53 spreche.
3. Warum wird Saladin eurer Meinung nach zum Teufel und Gibril zum Engel?
M: Ich glaube nicht, dass Gibril ein Engel wurde, weil er ein besserer Mensch als Saladin war. Der Roman versucht uns zu vermitteln, dass wir alle gleichzeitig gut und böse sind und dass wir, selbst wenn wir unser ganzes Leben lang gut (oder böse) waren, jederzeit eine Kehrtwende machen können.
E: Die wichtigste Dimension des Buches ist für mich bisher, dass nichts nur schwarz oder nur weiß, nur schlecht oder nur böse ist. Es gibt Raum für Interpretation und auch für Entwicklung. Nichts ist wirklich statisch, wenn es lebendig ist. Umso mehr, wenn man sich zwischen Kulturen bewegt, hier zwischen Indien und England.
Ich denke, das wird hier durch ihre Namen und ihre Verwandlung deutlich. Umso mehr, als sich die beiden Charaktere an einem Punkt ihres Falls zu verflechten und zu einer Einheit zu verschmelzen scheinen. Und sogar an einer Stelle ergeben ihre beiden Namen nur einen: "Gibrilsaladin Farishtachamcha" (Seite 5).
4. Wie steht es mit den Frauen? Welche Stellung nehmen sie im Roman ein? Wie werden die Männer ihnen gegenüber dargestellt?
M: Es gibt in diesem Roman die unterschiedlichsten Frauen. Ich glaube, der Autor wollte vielleicht sogar mehr Frauen als Männer darstellen, um uns zu verdeutlichen, wie unterschiedlich die Menschen sein können und dass wir nicht alle unterwürfig sind, sondern jeder von uns eine eigenständige Persönlichkeit.
E: Sie scheinen bisher eher zweitrangig zu sein. Ich sehe sie nicht als Hauptfiguren. Sie spielen jedoch eine entscheidende Rolle für die Entwicklung der Handlung. Nur ein Beispiel – und ich könnte noch mehr nennen –: Gibril beschloss, zu gehen und das (verhängnisvolle) Flugzeug zu nehmen, weil er genug von seiner Geliebten hatte.
Aber vielleicht spielen Frauen doch eine zentrale Rolle im Roman: Schließlich handelt die Sternsure, die im Mittelpunkt des Buches steht, von drei Göttinnen.
5. Warum haben eurer Meinung nach beide Männer ihre Namen geändert? Farishta bedeutet auf Urdu "Engel"; Chamcha bedeutet "Löffel".
M: Ich nehme an, beide Männer haben ihre Namen geändert, wie so viele Einwanderer es tun, wenn sie sich in ihrem neuen Land integrieren und assimilieren wollen, insbesondere wenn sie in der Unterhaltungsbranche arbeiten. So können ihre Namen von den Menschen ausgesprochen werden, die sie bewundern könnten.
E: Farishtas richtiger Name ist Ismail Najbuddin. Seine Mutter gab ihm den Spitznamen Farishta, was mir ganz normal vorkommt. Sowohl im Englischen als auch im Französischen ist es nicht ungewöhnlich, dass Mütter ihre Kinder als "meine kleinen Engel" bezeichnen. Das ist also der Künstlername, den er angenommen hat. Ich sehe darin eine direkte Verbindung zu Gibril, da er in "theologischen Filmen" mitspielt und trotz seiner psychischen Störung glaubt, eine göttliche Botschaft zu überbringen (wie Gabriel).
Was Chamcha betrifft, halte ich die umgangssprachliche Bedeutung seines Namens für relevanter als die wörtliche Bedeutung von "Löffel". Ich habe gelesen, dass es "Speichellecker" bedeutet, was sich auch in seiner Karriere widerspiegelt. Wenn Gibril eher der Rebell ist, will Chamcha gefallen. Übrigens habe ich hier gelesen, dass die umgangssprachliche Bedeutung von "Löffel" wahrscheinlich aus der Zeit der britischen Herrschaft in Indien stammt, als ein "Chumch" eine Person war, die, die Briten nachahmte, Silberbesteck zum Essen verwendete, während Inder im Allgemeinen mit bloßen Händen aßen.
6. Habt ihr etwas über Indien gelernt, insbesondere durch die Geschichten der beiden Hauptprotagonisten?
M: Ich habe schon viele Bücher über Indien gelesen, aber es gibt immer etwas Neues zu lernen. Ich fand es interessant, dass dieser Roman zuerst in Indien verboten wurde.
E: Das Buch beleuchtet das Chaos in einigen Teilen der Gesellschaft, obwohl mir das nicht neu ist. Es scheint auch zu zeigen, wie vertikal die Gesellschaft ist ("Bombay war eine Kultur der Remakes" – auch im doppelten Sinne, als Remake eines Films), in der die Menschen stark versuchen, die soziale Leiter hinaufzusteigen, indem sie sich neu erfinden. Was mir nicht bewusst war, ist, wie viele politische Kandidaten ursprünglich aus dem Showbusiness kamen – ein perfektes Beispiel für Letzteres und ein möglicher Grund für das chaotische Ergebnis!
7. Im Roman kommen verschiedene Gruppierungen vor: fundamentalistische islamische Gruppen, die westliche und indische Regierung, die Medien und die internationale Autorengemeinschaft. Was bedeutet das eurer Meinung nach für die Ereignisse?
M: Es könnte sein, dass der Autor einen breiteren Blick auf sein Thema werfen wollte. Oder er wollte einfach nur all diese Institutionen und Gruppen angreifen.
In diesen Teilen des Buches werden viele Aspekte der Migration thematisiert. Ein wichtiger Aspekt ist die notwendige Neuerfindung seiner selbst und seiner Welt:
"Er befand sich in einem Vakuum", und um zu überleben, musste er alles von Grund auf neu aufbauen, den Boden unter seinen Füßen neu erfinden, bevor er einen Schritt machen konnte."
So sehr, dass man seine eigene Identität verlieren konnte:
"Als er in den Spiegel blickte und sein verändertes Gesicht sah, versuchte Chamcha, sich an sich selbst zu erinnern. Ich bin ein echter Mann, sagte er zum Spiegel, mit einer echten Geschichte und einer geplanten Zukunft."
Auch hier verstehe ich das sehr gut! In meiner Rezension des Buches eines anderen indischen Autors, der in eine andere Kultur eingetaucht ist, habe ich erklärt, dass ich mich tief im Inneren nicht als derselbe Mensch fühle, wenn ich zurück in Frankreich bin und Französisch spreche, und wenn ich in meinem amerikanischen Alltag Englisch spreche.
Marianne, ich sehe, wir machen hier eine ähnliche Erfahrung.
Der Identitätsverlust wird hier jedoch auf die Spitze getrieben.
Zu Beginn des Buches hatte ich die Verbindung zwischen Chamchas Namen und dem Klang von Samsa nicht erkannt! Samsa wird zu einem Käfer, das ist schon schlimm genug.
Der arme Chamcha wird zu einem Tier mit allen Attributen, die die Folklore dem Teufel zuschreibt. Und einschließlich der Tatsache, dass Hörner die Stirn von Hahnreien schmücken sollen (auch hier präsent).
Wenn Chamcha also zum Teufel wird, ist es verständlich, dass Gibril, der früher in theologischen Filmen auftrat, zur Figur eines Heiligen mit Heiligenschein wird. Allerdings konzentriert sich Rushdie in diesem Teil bisher nicht so sehr auf ihn.
Es sei denn, er ist hier wieder Chamchas Gegenstück und steht für den Migranten, der den Sprung schafft. Der Autor verweist auf Gibrils "Talent, Erneuerung anzunehmen, sich für vergangene Nöte zu verschließen, damit die Zukunft in Sicht kommen kann". Es scheint mit seiner Bereitschaft zu harmonieren, neue Gesetze anzunehmen: "Eine kleine Reihe von Verboten und Geboten erfreute sein Herz" – was vielleicht nur ein weiterer Grund ist, die eigene Identität zu verlieren.
Gibrils Situation ist jedenfalls nicht nur rosig, da andere ihn, wie bereits mehrfach erwähnt, für verrückt halten. Er befindet sich zudem auf einer "vergeblichen Reise auf der Suche nach der Chimäre der Erneuerung". Und wenn Chamchas Name wie Samsas klingt, ist es tatsächlich Gibril (wenn ich mich nicht irre), der einmal als "ein großer, sterbender Käfer" beschrieben wird.E: Da bin ich mir hier noch nicht sicher.
8. Der Roman enthält mehrere magische und fantastische Elemente. Wie tragen sie zum Roman bei und warum verwendet der Autor sie eurer Meinung nach?
M: Ich bin kein großer Fan des Magischen Realismus, aber ich denke, dieser Roman wäre ohne sie nicht möglich.
E: Ich denke, das sind wichtige Schreibtechniken, um mehr Bedeutung zu erschließen. Und um das Thema der Relativität der Interpretation zu berücksichtigen, bis hin zur Darstellung absurder Ideen.
Und ich denke, wir dürfen den Humor nicht vergessen, denn die Szene des Sturzes ist wirklich absolut urkomisch.
9. Betrachtet die Reaktionen auf den Roman. Glaubt ihr, dass sie verdient waren? Ich habe irgendwo gelesen: "Wütend über ein fiktionales Werk zu sein, sagt mehr über den Leser aus als über das Werk selbst." Stimmt ihr dem zu?
M: Ich glaube nicht, dass eine solche Reaktion verdient ist. Wir sollten offen über unsere Probleme miteinander sprechen. Aber manche Menschen (oder Gruppen) glauben, nur sie hätten Recht und akzeptieren keine anderen Meinungen. Deshalb brauchen wir mehr Bücher wie dieses, die uns zum Nachdenken anregen.
E: Ich stimme diesem Zitat zu. Ich würde Belletristik nicht als Abhandlung über Religion oder Philosophie betrachten. Und ich versuche, ein Buch unvoreingenommen zu lesen und nicht zu versuchen, dem Autor meine eigenen Gedanken aufzudrängen. Wenn das nicht gelingt, ist Belletristik vielleicht nicht das richtige Genre für euch. Ich finde es tatsächlich faszinierend, die Gedanken anderer zu entdecken und zu erfahren, wie sie diese in Worte fassen.
Was die Reaktionen auf den Roman angeht, bin ich, je mehr ich ihn lese, immer mehr überrascht über die muslimische Kontroverse, die das Buch ausgelöst hat. Denn das Buch greift den Hinduismus (obwohl das Thema Reinkarnation hier eher als gesellschaftliches Ereignis denn als metaphysische Realität behandelt zu werden scheint) und sogar das Christentum (auf subtilere Weise) gleichermaßen an.
Was die "satanischen Verse" selbst betrifft, habe ich etwas mehr über die Sure gelesen, um die es hier geht, und tatsächlich scheinen sich die Islamexperten selbst nicht alle über ihre Bedeutung einig zu sein, und es gibt tatsächlich einen gewissen Spielraum, was sie wirklich bedeutet.
Weitere Informationen zur Interpretation dieser Sure in muslimischen Kreisen findet ihr hier.
Sure [Kapitel] An-Najm, die 53. Sure des Korans, bedeutet "Der Stern", was meiner Meinung nach nicht von der Tatsache getrennt werden kann, dass die beiden Hauptprotagonisten Filmstars waren. Laut Wikipedia "beginnt die Sure mit dem Schwur des Allmächtigen bei jedem einzelnen Stern, während dieser untergeht und am Horizont verschwindet", Diese absteigende Bewegung unserer beiden Sternenhelden finden wir gleich beim Öffnen des Buches.
Ich glaube auch nicht, dass es ein Zufall ist, dass Annie Besant erwähnt wird (oben auf Seite 24 in der alten Viking-Ausgabe), da sie in Indien den Orden des Sterns des Ostens (Order of the STAR in the East) gründete, um die Welt auf die Ankunft eines ultimativen Messias vorzubereiten.
Außerdem enthält der Roman viele Allegorien, die nicht wörtlich zu nehmen sind. Als ob man das Buch Genesis als zeitgenössisches Sachbuch lesen und dabei alles über sein wahres Genre und dessen Verbreitung zur Zeit der Entstehung des Buches völlig ignorieren würde.
Ich möchte nicht dem allzu verbreiteten Relativismus verfallen, demzufolge jeder seine eigene Wahrheit haben könnte. Aber gleichzeitig, wenn man Individuen betrachtet, wenn ich mich selbst betrachte, gibt es sicherlich einen guten und einen weniger guten Teil. Jede Identität ist komplex und schwer zu finden. Ich finde, das drückt dieses Bild gut aus: "Er schien in seinen Kleidern umherzuwandern wie ein Mann auf der Suche nach etwas, das er noch nicht ganz identifiziert hat."
Hinzu kommt, dass Gibril, als er seine Nachricht erhielt, halb schlief, wie in einem Traum. Er leidet an Schizophrenie und hält sich für einen Engel (wie Erzengel Gabriel, der göttliche Bote). Und obendrein ist er Schauspieler! Er kann also definitiv nicht als zuverlässiger Bote gelten.
Ich denke auch, es ist wichtig zu erwähnen, dass Gibril in seinen Filmen Gottheiten und Chamcham irdische Menschen spielte. Ich sehe darin eine zusätzliche Dimension zum Thema Identität und seinen komplexen Dimensionen. Und ich glaube nicht, dass der Roman als religiöse Botschaft gelesen werden kann. Wir begegnen hier keiner Ehrfurcht, sondern nur Lampenfieber (Seite 112). Und der Untergang des Paradieses ist eigentlich der Untergang eines Flugzeugs (der Name des Flugzeugs, Bostan, bedeutet Paradies).
Wir können auch argumentieren, dass die Variation des Namens Muhammad als Mahound hauptsächlich ein Verweis auf ein anderes bedeutendes literarisches (nicht theologisches) Werk sein könnte: Mahound wird in Dantes Göttlicher Komödie (Divine Comedy) tatsächlich als der leibhaftige Teufel dargestellt. Die Mahound-Variante war im Mittelalter weit verbreitet. Und Dante war Rushdies Gedanken nicht weit entfernt, wie wir an der Erwähnung des "ersten Kreises, des innersten Rings" sehen können.
Diskussionsfragen Teil 3 und 4
3. Ellohenn Deeohenn
4. Aischa
1. Verwendet Rushdie im Vergleich zu Teil 1 und 2 dieselben Techniken, um Humor einzubringen?
M: Komischerweise kann ich nur eines erkennen: entweder Humor oder Fantasie. Da dieser Teil eher in die zweite Richtung geht, fällt es mir schwer, den Humor zu erkennen, obwohl ich ihn stellenweise sehen kann. Daher kann ich nicht sagen, ob es dieselbe oder eine andere Art von Humor ist. Ergibt das überhaupt Sinn?
Er erwähnt einige Märchen, die wir kennen, z. B. Großmutters Haus aus Rotkäppchen oder Rosa aus Schneewittchen,, die "weiß wie Schnee" ist. Und ich weiß, dass es noch weitere Anspielungen auf andere Erzählungen, Geschichte und Religion gibt. Das fand ich ziemlich lustig.
E: Mir gefällt, wie er immer wieder mit Namen spielt, diesmal allerdings manchmal in die Geschichte zurückgeht, wie bei Willie-the-Conk. Angesichts des Einflusses, den der Eroberer auf die Entwicklung Englands, beispielsweise in der Sprache, hatte, ist es logisch, dass er in diesem Teil des Buches auftaucht, in dem es immer deutlicher um die Risiken und Gefahren der Migration geht.
Es gibt viele witzige Literaturreferenzen. Ich werde Kafka weiter unten erwähnen, aber auch Don Quijote (Don Quixote) (eine Figur, die Rushdie besonders mag, siehe meine Rezension seines Romans über ihn) ist zu finden, wenn er von "Maslamas windmühlenartigen Armen" spricht.
In diesem Teil wird der Humor meiner Meinung nach noch satirischer, da der Autor soziale Verhaltensweisen, insbesondere gegenüber Migranten, stärker ins Visier nimmt.
Und wie immer gibt es viele urkomische Hinglish-Begriffe und -Referenzen. Ich kannte den Begriff Hinglish vor der Lektüre dieses Buches nicht einmal!
2. Was denkst du über die Verwandlungen der Hauptprotagonisten?
M: Ich denke, die Veränderungen nicht nur der beiden Protagonisten, sondern auch einiger anderer Charaktere (nicht so groß wie die von Gibril und Saladin, aber dennoch) könnten etwas mit den Veränderungen zu tun haben, die jeder Einwanderer in seinem neuen Land durchmacht. Wir bleiben nicht gleich. Ich sage immer, ich bin nicht ganz deutsch, aber ich habe mich auch nicht in eine Belgierin, ein Britin oder Niederländerin verwandelt. Das könnte auch einige Veränderungen in den religiösen Ansichten der Menschen erklären, die mit dem Kulturwechsel einhergehen (was bei mir nicht der Fall war, da die Länder, in denen ich lebte, alle überwiegend christlich geprägt sind).
Ich habe irgendwo gelesen, dass viele Menschen Einwanderer (insbesondere aus anderen Kulturen) fast wie Tiere betrachten und Saladin deshalb in eine Ziege verwandelt wurde. Könnte sein. Viele Westler neigen definitiv dazu, Menschen anderer Kulturen, Religionen und Rassen als unter ihrer Würde zu betrachten. Was natürlich Unsinn ist. Aber ein guter Ansatzpunkt, um den Leuten zu zeigen, was sie mit dieser Sichtweise anfangen.
E: Ich habe in meinen Kommentaren zu Teil 1 und 2 kurz darauf hingewiesen.
Die Sure, die dem Buchtitel zugrunde liegt, heißt "Der Stern". Wenn wir nun zur christlichen Tradition wechseln, wurde der Name Luzifer (oft im Zusammenhang mit Venus verwendet und bereits in der Mythologie vorhanden) mit dem Teufel in Verbindung gebracht (zum Beispiel in der Auslegung von Jesaja 14,12). Der Fall der beiden Protagonisten und zweier (Film-)Stars dazu legt also nahe, dass einer von ihnen eine Teufelsfigur ist.
In diesen Teilen des Buches werden viele Aspekte der Migration thematisiert. Ein wichtiger Aspekt ist die notwendige Neuerfindung seiner selbst und seiner Welt:
"Er befand sich in einem Vakuum", und um zu überleben, musste er alles von Grund auf neu aufbauen, den Boden unter seinen Füßen neu erfinden, bevor er einen Schritt machen konnte."
So sehr, dass man seine eigene Identität verlieren konnte:
"Als er in den Spiegel blickte und sein verändertes Gesicht sah, versuchte Chamcha, sich an sich selbst zu erinnern. Ich bin ein echter Mann, sagte er zum Spiegel, mit einer echten Geschichte und einer geplanten Zukunft."
Auch hier verstehe ich das sehr gut! In meiner Rezension des Buches eines anderen indischen Autors, der in eine andere Kultur eingetaucht ist, habe ich erklärt, dass ich mich tief im Inneren nicht als derselbe Mensch fühle, wenn ich zurück in Frankreich bin und Französisch spreche, und wenn ich in meinem amerikanischen Alltag Englisch spreche.
Marianne, ich sehe, wir machen hier eine ähnliche Erfahrung.
Der Identitätsverlust wird hier jedoch auf die Spitze getrieben.
Zu Beginn des Buches hatte ich die Verbindung zwischen Chamchas Namen und dem Klang von Samsa nicht erkannt! Samsa wird zu einem Käfer, das ist schon schlimm genug.
Der arme Chamcha wird zu einem Tier mit allen Attributen, die die Folklore dem Teufel zuschreibt. Und einschließlich der Tatsache, dass Hörner die Stirn von Hahnreien schmücken sollen (auch hier präsent).
Wenn Chamcha also zum Teufel wird, ist es verständlich, dass Gibril, der früher in theologischen Filmen auftrat, zur Figur eines Heiligen mit Heiligenschein wird. Allerdings konzentriert sich Rushdie in diesem Teil bisher nicht so sehr auf ihn.
Es sei denn, er ist hier wieder Chamchas Gegenstück und steht für den Migranten, der den Sprung schafft. Der Autor verweist auf Gibrils "Talent, Erneuerung anzunehmen, sich für vergangene Nöte zu verschließen, damit die Zukunft in Sicht kommen kann". Es scheint mit seiner Bereitschaft zu harmonieren, neue Gesetze anzunehmen: "Eine kleine Reihe von Verboten und Geboten erfreute sein Herz" – was vielleicht nur ein weiterer Grund ist, die eigene Identität zu verlieren.
Gibrils Situation ist jedenfalls nicht nur rosig, da andere ihn, wie bereits mehrfach erwähnt, für verrückt halten. Er befindet sich zudem auf einer "vergeblichen Reise auf der Suche nach der Chimäre der Erneuerung". Und wenn Chamchas Name wie Samsas klingt, ist es tatsächlich Gibril (wenn ich mich nicht irre), der einmal als "ein großer, sterbender Käfer" beschrieben wird.
3. Wir sehen nun deutlicher, wie sehr das Thema Migration und Exil im Mittelpunkt steht. Gibt es dazu Anmerkungen?
M: Wie ich in Frage 2 erwähnt habe, ist nun die Verwandlung der Protagonisten klar, warum das passiert und was uns der Autor damit sagen will. Ob wir wollen oder nicht, wir müssen uns verändern, wenn auch nur ein bisschen, wenn wir in einem fremden Land leben, sonst bleiben wir immer die "Anderen".
Ich denke, wir müssen auf Seite 41 und das folgende Zitat zurückkommen:
"Wie weit flogen sie? Fünfeinhalbtausend Luftlinie. Oder: vom Indischen zum Englischen, ein unermesslicher Unterschied. Oder gar nicht weit, denn sie stiegen von einer großen Stadt auf und fielen in eine andere." Es hängt immer von der eigenen Einstellung ab.
E: Es ist beeindruckend, wie Rushdie dieses Thema auf so vielen Ebenen betrachtet. Die erste ist das Wetter. Ich kann das total nachvollziehen, da ich im April 2001 vom relativ durchschnittlichen französischen Wetter ins wahnsinnig kalte und verschneite Iowa gezogen bin. Es war ein Schock, im April so viel Schnee zu sehen, und meine Freunde meinten: "Keine große Sache, das ist hier normal…" Ich kann mir also Gilbreels eigenen Schock vorstellen, als er nach seiner Notlandung aufwachte:
"Gibreel Farishta erwachte mit einem Mund voller, nein, nicht Sand. Schnee." Und mir gefällt, wie Rushdies Stil in diesem Satz den Leser diesen ersten Kulturschock noch stärker spüren lässt.
Es gibt auch viele Passagen darüber, wie die Behörden mit "Illegalen" umgehen. Bis hin zu extremen und unethischen Maßnahmen, wenn sich diese sogenannten Illegalen trotz ihres anderen Aussehens (Hautfarbe oder allgemeineres Erscheinungsbild) als Bürger des jeweiligen Landes herausstellen.
Und natürlich spielt Essen in dieser Hinsicht eine wichtige Rolle, "dieses dreckige ausländische Essen"!
Und man muss sich nicht nur neu erfinden, wie bereits erwähnt, sondern wird im neuen Land zum Fremden, zum Anderen, so anders, dass man letztlich als Monster und Teufel, als Quelle allen Übels angesehen wird:
"'Sie beschreiben uns', flüsterte der andere ernst. 'Das ist alles. Sie haben die Macht der Beschreibung, und wir erliegen den Bildern, die sie konstruieren.'"
Nach all dem ist der ultimative Schock die Erkenntnis, dass das Land, in das man auswandern wollte, so ganz anders ist als das, das man im Kopf hatte:
"'Das ist nicht England', dachte er, nicht zum ersten und nicht zum letzten Mal.
Wie auch? Wo in diesem gemäßigten und vernünftigen Land war Platz für einen solchen Polizeiwagen, in dessen Innenraum sich solche Ereignisse plausibel abspielen konnten?"
Rushdie zitiert auch mehrere Verse einer eindringlichen Bibelstelle über Migranten, darunter vielleicht eine der ergreifendsten, Psalm 137.
Es ist so lustig, dass Rushdie auch auf Boney M. verweist, der dieses (sogar in Frankreich!) superpopuläre Lied "By the Rivers of Babylon" hatte, das denselben Psalm zitiert.
4. Wie verstehst du die ganze Episode zwischen Gibril und Rosa? Was ist der Sinn? Warum trifft sie die Haupthelden nach ihrem Fall als Erste?
M: Ich nehme an, jemand musste Gibril und Saladin zuerst gesehen haben. Es ist keine große Überraschung, dass sie für beide eine Fremde ist. Rosa kann stellvertretend für all die Menschen stehen, die Fremde in ihrer Heimat willkommen heißen, ohne zu merken, wie anders sie sind. In dieser Hinsicht brauchen wir definitiv mehr Menschen wie Rosa. Außerdem scheint es im Roman mehrere Personen zu geben, die nicht wirklich wissen, was los ist, die "Visionen" haben.
E: Da bin ich mir nicht ganz sicher, selbst nachdem ich Daniel Balderstones Artikel über Rosa gelesen habe. Diese ganze Passage scheint eine obskure Nachahmung Argentiniens und/oder anderer südamerikanischer Länder zu sein.
Ich sehe das nur als zusätzlichen Text zur Migrationserfahrung, aber ich habe mich hier verloren und bin mir nicht sicher, welche konkreten Ideen in Rosas Geschichte hervorgehoben werden. Sie scheint die ultimative und symbolische Migrantin zu sein, da sie die erste ist, die Gibril und Chamcha nach ihrem Sturz findet.
5. Aischa erscheint in zwei Gestalten. Warum? Wofür steht sie? Was hat es mit der Sache mit dem Essen von Schmetterlingen auf sich?
M: Ich habe mich gefragt, warum es in dem Roman mehrere Aischas gibt. Entweder ist es ein sehr, sehr gebräuchlicher Name (glaube ich nicht), oder der Autor will uns verwirren (das bezweifle ich auch). Es muss also eine Verbindung geben. Vielleicht wurde sie nach der Kaiserin von Desh (einer Hälfte von Bangladesch?) benannt, die die Feindin des Imams ist (der mit Ayatollah Khomeini verglichen wurde, der die Fatwa gegen Salman Rushdie erließ). Vielleicht wurde die junge Aischa, die Haupt-Aischa, nach ihr benannt. Es könnte ein Zufall sein, aber ich glaube nicht an Zufälle in Romanen. Nun, diese Aischa behauptet, Botschaften vom Erzengel zu erhalten. Und dann, vielleicht als Zeichen, verwandelt sich ihr Kleid in Schmetterlinge. Anscheinend gibt es eine lokale Legende, wonach die Schmetterlinge die Geister einer Frau namens Bibiji sind, einer Heiligen, die 240 Jahre alt wurde und vor 120 Jahren starb. Ich habe auch gelesen, dass Schmetterlinge für Metamorphose und Wiedergeburt stehen. Das ergibt Sinn, schließlich haben sie sich von Raupen in wunderschöne Wesen verwandelt. Und da sind wir wieder beim Thema Einwanderer.
E: Wir haben viel über Veränderung, Transformation und Metamorphose gesprochen. Obwohl sie mit der Erfahrung der Migration einhergehen, hatten unsere Haupthelden es schwer damit. Aischa hingegen scheint den Wandel zu begrüßen und ihn sogar zu absorbieren, wie ich in den seltsamen Szenen sehe, in denen sie Schmetterlinge isst, das gängige Symbol für Transformation und Transmutation.
Eine Notiz, die ich gelesen habe, besagt, dass es sich auch um eine Anspielung auf "Hundert Jahre Einsamkeit" (One Hundred Years of Solitude) handelt. Leider kann ich mich nicht daran erinnern, dass dies in Gabriel García Márquez’ Buch vorkommt.
Danke, Marianne, für deinen Hinweis auf eine lokale Legende.
Ich habe das Gefühl, dass mir so viele Hinweise fehlen, obwohl uns viele Hilfsmittel zur Verfügung stehen, um dieses Buch besser zu verstehen! Es ist so reich an Anspielungen.
6. Und wie steht es mit der Figur des Imams?
M: Wie ich bereits erwähnt habe, wird der Imam oft mit Ayatollah Khomeini verglichen. Es würde mich nicht wundern, wenn Salman Rushdie beim Schreiben der Geschichte an ihn gedacht hätte. Schließlich war er ständig in den Nachrichten, und die meisten Menschen waren an sein Bild mehr als gewöhnt.
Der Imam ist das genaue Gegenteil unserer beiden Protagonisten. Er verändert sich überhaupt nicht. Er bringt seine Kultur und Religion lieber in andere Länder, als nur ein bisschen von dort zu akzeptieren. Wie ich bereits erwähnt habe, wird er immer "der Andere" sein.
E: Mit seiner Liebe, seinen Willen und seine Regeln durchzusetzen, und seiner Obsession für Reinheit (er akzeptiert nur gefiltertes Wasser) ist der Imam das genaue Gegenteil von Aischas Figur. Er lehnt Veränderungen ab und will nur Stabilität.
Hinzu kommt eine dritte Fähigkeit, nämlich die, Gibril (als Abbild des Erzengels) heraufzubeschwören. Er ist eine satirische Darstellung von Ayatollah Khomeini, was mir nun besser erklärt, warum der iranische Führer das Buch so sehr ablehnte, dass er sogar die Ermordung des Autors forderte. Obwohl er das Buch wahrscheinlich nie gelesen hat, wie Rushdie damals bemerkte.
Der Imam wird ebenfalls als Exilant dargestellt, und Rushdie scheint einen großen Unterschied zwischen Exilant und Einwanderer zu machen. Ist der Unterschied so groß? Bezieht sich Rushdie auf seine eigene Erfahrung? (Es wäre interessant zu erfahren, wie Rushdie reagierte, als er als Teenager zum Studium nach England kam.)
Obwohl es besser ist als die Migrantenerfahrung von Chamcha und Gibril, wird es auch nicht als Paradies dargestellt: "Paranoia ist für Exilanten eine Voraussetzung zum Überleben." "Das Exil ist ein seelenloses Land." "Im Exil wirken alle Versuche, Wurzeln zu schlagen, wie Verrat: Sie sind Eingeständnisse der Niederlage."
7. Und alle weiteren Fragen, die ihr gerne stellen möchtet!
M: Ich hätte hunderte von Fragen zu den Figuren (zum Beispiel den Frauen im Roman), warum manche Teile eher magisch-realistisch sind als andere usw. Es wäre toll, diesen Roman persönlich zu besprechen, jeder mit einem Buch und einem Notizblock in der Hand. Uns würden noch so viele weitere Punkte einfallen. Aber ich denke, das reicht für heute. Schließlich liegen noch drei weitere Lese- und Diskussionswochen vor uns.
Diskussionsfragen Teil 5
5. Eine Stadt: Sichtbar aber ungeschaut
1. Was denkst du über den Titel dieses Kapitels? Welche Stadt ist gemeint und warum ist sie sowohl sichtbar als auch unsichtbar?
M: Als ich den Titel "Eine sichtbare, aber unsichtbare Stadt" las, musste ich an Schrödingers Katze denken. Sie ist da und sie ist nicht da. Dasselbe gilt für die Stadt, die Rushdie beschreibt. London ist eine Stadt der Einwanderer, aber es ist nicht dasselbe, ob man Einwanderer oder Einheimischer ist, oder vielmehr Europäer oder Nicht-Europäer, was die Hautfarbe betrifft. Ich denke, der Titel gibt uns einen kleinen Einblick in das Dilemma dieser Menschen. Ich war in einigen Ländern als Einwanderin unterwegs, aber niemand konnte sehen, dass ich nicht dorthin gehörte, wenn ich einfach auf der Straße ging. Daher blieben mir viele der Erfahrungen, die viele Einwanderer machen, erspart. Das heißt aber nicht, dass ich nie Feindseligkeiten oder gar "Rassismus" erlebt habe.
Als Einwanderer mit einer anderen Hautfarbe sollte man also besser von der Mehrheit ungesehen bleiben und seine Identität ändern. Fast wie bei Kindern, die man "sehen, aber nicht hören" sollte.
E: Danke für die tollen Fragen. Leider fand ich diesen Teil des Buches sehr schwierig, und die meiste Zeit hatte ich keine Ahnung, was los war. (Anmerkung von mir, Marianne: Ich stimme voll und ganz zu.)
Der Titel seines Teils lautet "Eine sichtbare, aber unsichtbare Stadt".
Wenn er in diesem Teil verwendet wird, scheint er sich auf Gibrils Geisteskrankheit zu beziehen: "Er stellte sich vor, wie er sich auf einem Weg bewegte, auf dem sich ihm jeden Moment eine Wahl bieten würde, eine Wahl – so formulierte sich der Gedanke in seinem Kopf ohne sein Zutun – zwischen zwei Realitäten, dieser Welt und einer anderen, die ebenfalls da war, sichtbar, aber unsichtbar."
Aber ich denke, das ist eine andere Art, die Erfahrung von Einwanderern zu erzählen. Die sichtbare und die unsichtbare Stadt könnten sowohl London als auch die indische Stadt sein, aus der einige Charaktere stammen, wie zum Beispiel Hind.
London ist sichtbar, da sie jetzt dort leben, aber unsichtbar in dem Sinne, dass es ihrer früheren indischen Erfahrung völlig fremd ist.
Und Dhaka zum Beispiel ist ebenfalls unsichtbar, sowohl für die Briten (sie sehen die indischen Einwanderer, ohne sie zu verstehen, ohne sie wirklich zu sehen), als auch für die Einwanderer selbst, da ihnen ihr gegenwärtiges Leben so fremd ist, dass sie dazu neigen, sogar zu vergessen, zu übersehen, was sie einst kannten: "Wo war jetzt die Stadt, die sie [Hind] kannte? Wo das Dorf ihrer Jugend und die grünen Wasserstraßen ihrer Heimat? Auch die Bräuche, um die sie ihr Leben aufgebaut hatte, waren verloren gegangen oder zumindest schwer wiederzufinden."
Leider kann sie nur durch Filme mit ihrer alten Heimat in Verbindung bleiben: "den endlosen Vorrat an bengalischen und Hindi-Filmen auf dem Videorekorder, durch den sie (zusammen mit ihrem ständig wachsenden Vorrat an indischen Filmzeitschriften) mit den Ereignissen in der "realen Welt' in Kontakt bleiben konnte."
Alles ist fremd: die Sprache und ihre "fremdartigen Klänge", das Essen, das Wetter!, das Lebenstempo. "Auch die Bräuche, auf denen sie ihr Leben aufgebaut hatte, waren verloren gegangen oder zumindest schwer wiederzufinden. Niemand in diesem Vilayet hatte Zeit für die langsamen Höflichkeiten des Lebens zu Hause oder für die vielen religiösen Bräuche."
Die neue Stadt ist so fremd, dass sie wie auf einem anderen Planeten wirkt: "Zeeny Vakil auf diesem anderen Planeten, Bombay, am äußersten Rand der Galaxie."
Und das geht noch weiter: Die neue Stadt ist so fremd, dass Hind sie "eine Dämonenstadt" nennt.
Und für Saladin wird London zur Hölle: "Ja, das war die Hölle, ganz recht. Die Stadt London, verwandelt in Jahannum, Gehenna, Muspellheim."
Ich liebe die höllische Beschreibung Londons: "Aus der Tiefe kamen Beben, die den Durchgang riesiger unterirdischer Würmer ankündigten, die Menschen verschlangen und wieder ausspuckten, und vom Himmel das Dröhnen von Hubschraubern und das Kreischen höherer, glänzender Vögel."
Die Einwanderer hatten sich für das Neue entschieden, aber sie bekamen in Bezug auf das Neue so viel mehr als erwartet, bis hin zum Verlust ihrer Identität und der Verwandlung in Bestien.
2. Warum kümmert sich Jumpy Joshi um Saladin? Glaubst du, er fühlt sich schuldig und versucht, Wiedergutmachung zu leisten? Wie verändert sich ihre Beziehung im Laufe des Kapitels?
M: Ich glaube, der Hauptgrund sind seine Schuldgefühle wegen seines Ehebruchs, nicht nur wegen der Heirat mit Saladin. Ehebruch ist in den meisten Religionen verboten. Obwohl die beiden Saladin für tot hielten, gibt es einen Abschnitt, in dem er vielleicht zugibt, er hätte besser überprüfen können, was wirklich passiert ist, und sich wahrscheinlich eingesteht, dass er Pamela immer gewollt und dies als seine Chance gesehen hat.
Saladins Rückkehr verstärkt nicht nur dieses Schuldgefühl, sondern verändert durch die Situation, in der sich Saladin befindet, ihr ganzes Leben.
E: Da bin ich mir nicht sicher. Ich sehe das eher in Teil VI. Ja, ich glaube, Jumpy fühlt sich schuldig, hat aber auch Angst vor diesem Mann, der von den Toten zurückgekehrt zu sein scheint. Für mich sagt die Entwicklung ihrer Beziehung mehr über Saladins Verhalten aus. Er scheint sich dem Schicksal zu unterwerfen. Unterwerfung ist ein Thema, das im Buch einige Male auftaucht, offensichtlich als Hinweis auf die Bedeutung des Wortes "Islam".
3. Warum, glaubt ihr, ist Saladin bestürzt, als er hört, dass Gibril noch lebt? Der Autor nennt als Grund seinen Groll darüber, dass er ihm bei der Polizei nicht geholfen hat, aber könnten es noch andere, tiefer liegende Gründe geben?
M: Gibril und Saladin haben viel mehr gemeinsam als nur den Sturz aus dem Flugzeug. Sie sind beide Einwanderer in England, beide kommen aus Indien, beide arbeiten in der Unterhaltungsbranche. Ihre vielen Träume geben ihnen eine Vorstellung von ihrer Identität und ihrem Schicksal. Natürlich, glaubt Saladin, sollte Gibril auf seiner Seite sein, da sie beide im selben Boot sitzen und er ihm helfen sollte, wenn er Hilfe braucht. Warum hilft Gibril ihm also nicht? Und warum sollte der eine in einen Engel und der andere in Satan verwandelt werden? Ich bin sicher, er fragt sich, warum er die schlechte Rolle bekommen hat, und nimmt Gibril das übel.
E: Ich habe wirklich keine Ahnung! Abgesehen von der offensichtlichen Tatsache, dass er die Frau verlieren könnte, die er liebt.
4. Alleluia Cone ist eine weitere Immigrantin oder Nachfahrin von Immigranten. Sie ist jedoch Europäerin und daher nicht so leicht zu erkennen wie ihre indischen Mitbürger. Wie trägt das eurer Meinung nach zur Geschichte bei? Glaubt ihr, dass das Verständnis zwischen europäischen und nichteuropäischen Immigranten größer ist als zwischen Immigranten und Nicht-Immigranten? Glaubt ihr, dass es für Immigranten, die eher wie Menschen aus dem Gastland aussehen, einfacher ist?
M: Wie ich bereits erwähnt habe, konzentriert sich die Geschichte auf den Umgang mit Immigranten. Sie tolerieren sie, wollen aber nichts mit ihnen zu tun haben, sie überhaupt nicht wahrnehmen. Wenn man sagt, dass man Immigranten toleriert, sie aber ansonsten ignoriert, bedeutet das, dass man die rassistischen Spannungen im eigenen Land nicht wahrnimmt.
E: Alleluias Erfahrung könnte dazu beitragen, die Geschichte zu erweitern und zu zeigen, dass diese Art von Erfahrung nicht nur auf Inder beschränkt ist, die nach England kommen.
Und ich glaube, dass die Dinge tatsächlich viel komplizierter werden, wenn sich Haar, Gesichtszüge und Hautfarbe von den im Gastland am häufigsten vorkommenden unterscheiden.
5. Warum nennt sich Gott eurer Meinung nach "der Typ da oben", während Gibril ihn "der Kerl von unten" nennt?
M: Ich habe irgendwo gelesen, dass Gott im Laufe des Romans immer mehr dem Autor selbst ähnelt. Wenn das stimmt, ist er sich seiner Rolle weder im Leben noch im Roman sicher.
Aber selbst wenn das nicht stimmt, sehen wir das im wirklichen Leben oft. Die Menschen wissen nicht, ob Gott wirklich immer der "Gute" ist. Was für den einen gut ist, kann für den anderen extrem schlecht sein. All diese Fragen: Wie kann Gott das zulassen? Würde Gott das tolerieren? Sie rühren hauptsächlich von unseren Zweifeln an seiner Existenz her, von unserem Unglauben. Denn wenn wir glauben, dass er da ist, brauchen wir keine Zeichen.
E: Mir fallen nur gängige Bezüge zu Gott und dem Teufel ein.
6. Is it the easy way out? Warum, glaubt ihr, werden seine Visionen mit Schizophrenie erklärt? Ist das der einfache Ausweg?
M: Vieles im magischen Realismus erscheint mir wie Visionen, etwas, das nicht erklärt werden kann und von Menschen, die diese Ideen nicht haben, nicht geglaubt wird. Ich kann dem nicht folgen, ich mag einfach keine "Magie", egal wo man sie anwendet. Natürlich ist sie immer eine gute Möglichkeit, Ereignisse zu erklären, die sich sonst nicht erklären lassen. Daher vermute ich, dass es oft Schizophrenie (oder eine andere Krankheit) ist, wenn jemand "Visionen" hat.
Das könnte also bereits die Erklärung für Gibrils Verwandlung in Gabriel sein, dass er glaubt, ein Auserwählter zu sein.
E: Ich frage mich. Vielleicht als Verhöhnung eines religiösen Phänomens, wie sogenannter Propheten, die eigentlich nur geistig kranke Menschen sind? Was zu Rushdies Ansichten über Religion passen würde.
Und was ist mit der Art und Weise, wie Menschen Geisteskrankheit mit Besessenheit verwechseln?
Und auch, um zu zeigen, wie sehr sich die Lebenserfahrung als Einwanderer von dem unterscheidet, was sie bisher kannten, dass diese Fremdheit zu einer Persönlichkeitsspaltung und zu psychischen Erkrankungen führen kann? "Er fühlte sich langsam, schwer, von seinem eigenen Bewusstsein distanziert."
7. Glauben wir, dass das Thema Gut und Böse in diesem Kapitel gut erforscht und erklärt wird?
M: Ich denke, das ganze Buch ist gut erforscht. Ob es für den Geist eines Durchschnittsmenschen (wie meinen) immer verständlich ist, ist eine andere Frage. Wir können ihm sicherlich nicht vorwerfen, sich nicht bemüht zu haben, das Thema zu ergründen.
E: Ich glaube nicht, dass es auf moralischer Ebene überhaupt erforscht wird. Das ist überhaupt nicht Rushdies Ziel und Perspektive. Dies ist kein theologisches Buch.
Ein Aspekt, der mir aufgefallen ist, ist, dass Gibril sich auf einer Mission fühlt, die teuflische Stadt mit ihrem schlechten Einfluss zu retten, in Anlehnung an Jona und Ninive. "Also: Es war Zeit, der Stadt einen großartigen Anblick zu bieten, denn wenn sie den Erzengel Gibril in all seiner Majestät am westlichen Horizont stehen sah, gebadet in den Strahlen der aufgehenden Sonne, dann würden ihre Bewohner sicherlich große Angst bekommen und ihre Sünden bereuen." Das ist tatsächlich eine großartige Szene, so urkomisch und traurig zugleich.
Was für Jona also definitiv eine moralische Mission war, entpuppt sich als großer Witz, denn Gibril ist nur ein Mensch. Als er glaubt, er könne sich für alle Einwohner der Stadt sichtbar vergrößern und durch eine riesige Erscheinung auf der Straße in ihr Leben eingreifen, läuft er vor ein Auto und wird überfahren!
Rushdie reduziert die Rolle auf eine filmische! Man könnte so viel darüber sagen, über so viele Charaktere, mit so vielen Referenzen an große Filme, und ich habe irgendwo gelesen, dass sogar Gibrils und Chamchas erste Erfahrung auf dem Leben zweier berühmter indischer Schauspieler basiert.
E: Mir sind noch ein paar andere Dinge aufgefallen.
Ich habe schon mehrmals erwähnt, wie Rushdie Spaß an Worten hatte. Ein weiterer Punkt ist meiner Meinung nach, dass er Saladin in seiner Satire in einen Satyr verwandelt hat. Ich glaube nicht, dass das ein Zufall ist.
Und natürlich das Wortspiel mit Shaitan/Satan. Genau wie Seyton, Macbeths Diener!
Eine Frage stelle ich mir im Zusammenhang mit früheren Fragen zur Rolle der Frauen. Wie versteht ihr das mit Rekha, "sie behauptete, sein Leiden sei von ihr verursacht worden"?
Und mit der Bedeutung von Allie, "die entschlossen war, ihn [Gibril] wieder zur Vernunft zu führen"?
M: Emma und ich haben die Fragen unabhängig voneinander beantwortet und veröffentlichen sie so, wie sie sind, damit andere Blogger unsere Gedanken nachvollziehen können. Und genau wie Emma bezweifle ich, dass irgendetwas in dem Roman Zufall ist. Jede Figur, jeder Satz hat seinen Grund, da bin ich mir sicher.
Diskussionsfragen Teil 6 bis 9
6. Rückkehr nach Jahilia
7. Der Engel Asrael
8. Die Teilung des Arabischen Meers
9. Eine wunderbare Lampe
1. In diesen Teilen gibt es definitiv mehr Kritik am Koran, insbesondere in Bezug auf Frauen. Die meisten dieser Geschichten werden jedoch als Gibrils Träume dargestellt. Was haltet ihr von diesem literarischen Mittel, all dies als Träume einzufügen?
M: Ich habe das bei anderen Autoren gesehen, insbesondere im Zusammenhang mit dem Islam. Sie lassen Tiere sprechen. Oder leblose Objekte. Ich denke, es ist eine gute Möglichkeit, den Autor vom Thema zu distanzieren und dem Leser die Möglichkeit zu geben, den Gedanken näher zu kommen. Dieses Mittel ermöglicht es, zwischen den eigenen Gedanken und denen anderer zu unterscheiden, von etwas, das man vielleicht nur denkt, oder der allgemeinen Meinung. Es ist definitiv ein Erzählstil, der mich dem magischen Realismus näher bringt.
E: Ich habe es als eine Möglichkeit des Autors verstanden, sich von seinem Inhalt zu distanzieren. Ich nehme an, er konnte abschätzen, dass einige Passagen des Buches nicht so gut ankommen würden. Aber er konnte zumindest sagen, dass es nichts ist, was seine Figuren gesagt oder gedacht haben, sondern nur geträumt haben.
2. Was haltet ihr von der Art und Weise, wie der Autor die Gastfreundschaft Londons beschreibt? Glaubt ihr, dass der Autor diese Worte heute noch schreiben würde?
M: Ich denke, die Welt ist in den letzten Jahren feindseliger, fremdenfeindlicher und rassistischer geworden, insbesondere durch die zunehmende Zahl an Flüchtlingen, die in unsere Länder kommen. (Wobei die Menschen, die diese Flüchtlinge am meisten ablehnen, oft in den Gegenden leben, in denen es am wenigsten gibt.) Würde er also das Leben in einer Großstadt mit vielen Einwanderern heute beschreiben, würde er ihnen vielleicht ein noch schlimmeres Leben beschreiben.
E: Für diejenigen, die das Buch nicht gelesen haben, hier die Passage, die mir beim Schreiben der Frage im Sinn lag:
"London, dessen zusammengewürfteltes Wesen sein eigenes spiegelte, deren Zurückhaltung seine eigene war; seine Fratzen, die gespenstischen Schritte römischer Füße in seinen Straßen, das Geschnatter der davonfliegenden Wildgänse. Seine Gastfreundschaft – ja! – trotz der Einwanderungsgesetze und seiner eigenen jüngsten Erfahrung bestand er auf der Wahrheit: ein mangelhaftes Willkommen, gut, ein der Bigotterie fähiges aber dennoch das Wahre, was bezeugt wurde durch die Existenz eines Pubs in einem Südlondoner Stadtteil, in dem man ausschließlich ukrainisch gesprochen wurde."
Ich habe einige Fragen mit einer Antwort im Hinterkopf geschrieben, aber bei anderen, wie dieser, wusste ich es wirklich nicht.
Ich nehme an, dass es in London auch heute noch (vielleicht sogar mehr?) Viertel gibt, in denen nur eine Fremdsprache gesprochen wird, aber kann man das heute als Zeichen der Gastfreundschaft betrachten? Vielleicht nicht. Marianne, ich stimme deiner Analyse der Situation zu.
Warum blieb Rushdie eigentlich nicht in England? Hatte er ein Problem mit der Art und Weise, wie sie damals auf Ausländer reagierten?
Nun, ich war neugierig und habe mich auf die Suche nach Rushdies Meinung zu London gemacht. In einem Artikel des Guardian (17.09.2000) fand ich Folgendes:
"Salman Rushdie hat bekannt gegeben, dass er London, seine Heimat seit seiner Kindheit, verlassen hat, weil er es zickig und uninspirierend fand…
In einem Interview mit der heutigen New York Times spricht Rushdie, der wegen seines Buches 'Die satanischen Verse' eine islamische Morddrohung erhalten hatte, voller Begeisterung über sein neues Leben in Manhattan. Er zog Anfang des Jahres nach New York und erlangte dort Berühmtheit.
Er sagte, Londons literarische Kreise seien 'verleumderisch und inzestuös'. Er sagte: 'Ich denke, es spricht für sich, dass sich meine Arbeit für jemanden, der so lange in England gelebt hat wie ich, relativ wenig damit befasst.'"
Sein Grund für die Abreise hat also offenbar nichts mit Einwanderung zu tun.
3. Als Salahuddin nach Bombay zurückkehrt, gibt Zeeny ihm folgenden Rat: "Du solltest dieses Mal wirklich versuchen, dich mit dieser Stadt Ort wie ein Erwachsener vertraut zu machen nicht wie irgendeine Kindheitserinnerung, die dich nostalgisch und krank macht. Öffne dich ihr. So wie sie tatsächlich ist. Mach dir ihre Fehler zu eigen. Werde ihr Geschöpf; sei ein Teil von ihr" gehör dazu."
Warum dieser Ratschlag jetzt, nicht über London, sondern über die Herkunftsstadt der Figur?
M: Wohin man auch geht, man hat immer ein Bild im Kopf. Wenn man an einen Ort geht, den man noch nie gesehen hat, neigt man vielleicht dazu, unvoreingenommen zu sein und nicht alles so zu erwarten, wie man es aus Büchern oder dem Fernsehen kennt. Wenn man an einen Ort zurückkehrt, an dem man schon einmal war, denkt man oft nicht daran. Ich bin nach 40 Jahren in meine Heimat zurückgekehrt. Bin ich enttäuscht, dass sich die Dinge verändert haben? Nein, im Gegenteil. Ich wäre es gewesen, wenn alles noch so gewesen wäre. Aber ich bin nicht zurückgekehrt, weil ich es als Kind so geliebt habe – schließlich gab es einen Grund für meine Abreise –, sondern weil meine Familie hier ist. Und das macht den Unterschied.
Ich verstehe den Rat an Saladin also vollkommen, denn ich hätte dasselbe gesagt. Es ist immer am besten, sich einen Ort zu eigen zu machen. Manchmal ist das nicht möglich, aber wenn man aus der Gegend stammt, wird man leichter akzeptiert.
E: Beim Lesen der vorherigen Teile des Buches dachte ich, Migration sei DAS Hauptthema. Jetzt denke ich, Migration ist ein Unterthema des Hauptthemas: Identität und Transformation. Tatsächlich kehren die Hauptfiguren nach Indien zurück, nicht unbedingt, weil ihre Migrationserfahrung gescheitert ist.
Ich sehe diese Passage als Einladung zu einer reiferen Sicht auf den Ort, an dem man lebt. Und vielleicht kann die Tatsache, als Ausländer in einem anderen Land gelebt zu haben, dies erleichtern.
Wenn ich persönlich in mein Heimatland zurückkehren müsste, glaube ich nicht, dass ich über meine Erinnerungen an das "goldene Zeitalter" der Vergangenheit (also an das Land, als ich jünger war) hinausgehen und akzeptieren könnte, wie es sich seitdem verändert hat. Nach dem, was ich von Verwandten höre, die noch dort leben, würde es mir definitiv nicht gefallen.
4. Gibril wird zunächst als erfolgreicher Einwanderer dargestellt, mit göttlichen und engelhaften Bildern, doch er ist geistig krank und begeht schließlich Selbstmord. Chamcha, der unter seiner Einwanderungserfahrung am meisten gelitten hat und mit teuflischen Bildern in Verbindung gebracht wurde, wirkt nun normaler und ausgeglichener als der andere. Wie erklärt ihr euch diesen Sinneswandel?
M: Menschen sind nie das, was sie zu sein scheinen. Man trifft jemanden, der nett wirkt, sich aber tatsächlich nur als freundlich erweist. Jemand anderes wirkt etwas seltsam, und am Ende merkt man, dass er einfach nur schüchtern, aber der freundlichste Mensch ist, den man sich vorstellen kann. Ich denke, wir können auch zum Sündenfall zurückkehren. Er stellt eine große Veränderung für die Menschen dar. Nun ja, die meisten von ihnen sterben, diese beiden überleben, aber ihr Charakter verändert sich für immer. Die gesamte Darstellung der beiden Männer ist mehrdeutig.
E: Ich sehe es als Aussage dafür, dass Migration ein komplexes Abenteuer ist. Es ist nicht alles schwarz oder alles weiß, alles schlecht oder alles böse.
Und um auf das Thema Identität zurückzukommen: Ich denke, Rushdie möchte auch hervorheben, dass die menschliche Natur komplex ist und dass wir alle Gutes und Böses in uns tragen.
Marianne, mir gefällt, wie du dich auf das Äußere konzentrierst. Gerade wenn wir Menschen aus einer anderen Kultur begegnen, interpretieren wir das, was wir sehen, oft nach unseren eigenen kulturellen Maßstäben und missverstehen und beurteilen sie falsch.
5. Warum hat Rushdie eurer Meinung nach die Geschichte vom Tod von Saladins Vater in diesem letzten Kapitel erzählt? In welchem Zusammenhang steht sie mit dem Rest des Romans? Welche Funktion erfüllt sie am Ende des Buches?
M: Abschluss? Ich weiß nicht, ob sie für das ganze Buch wichtig ist, sie gibt einen Einblick in die Zukunft (Saladins). Die Versöhnung zwischen Vater und Sohn lässt uns vermuten, dass selbst im Bösen etwas Gutes steckt, die Vorstellung, dass Saladin wieder ein "guter" Mensch werden könnte.
E: In den letzten Teilen wird oft von Liebe gegenüber Hass und dem Thema Vergebung gesprochen. Die Begegnung zwischen Saladin und seinem sterbenden Vater ist ein wichtiges Beispiel für Vergebung. Und ich denke, sie hängt mit dem zusammen, was wir oben besprochen haben: wie wir wachsen, uns verändern und mit einer neuen Sicht auf das Leben und die Menschen in ein Land (oder zu einer Beziehung) zurückkehren können.
Es scheint, dass Saladin durch seine Migrationserfahrung gewachsen ist und viel davon profitiert hat.
6. Es gibt eine eindringliche Passage zum Thema Liebe im Vergleich zu Hass:
„Er [Saladin] gratulierte sich selbst dazu, ein Mensch zu sein, der Hass nicht lange aufrecht erhalten konnte. Vielleicht war Liebe doch von größerer Dauer als Hass; auch wenn sich die Liebe änderte, so blieb ein Schatten, eine Kontur …
Hass war vielleicht ein Fingerabdruck auf dem glatten Glas der sensiblen Seele; nur ein Fettfleck, der verschwand, wenn man ihn in Ruhe ließ. Gibril? Puh! Der war vergessen; er existierte nicht mehr. Ja; Feindseligkeiten aufgeben hieß frei werden."
Gibt es dazu eine Meinung?
M: Nun, hoffentlich hält Liebe länger als Hass, obwohl ich das bezweifle. Ein starkes Gefühl ist ein starkes Gefühl, und viele Menschen können nicht vergeben. Und noch mehr sind nicht bereit zu vergeben oder die andere Seite zu sehen. Seht euch sich die Situation an, in der wir uns alle gerade befinden.
E: Mir gefällt diese Passage sehr gut, sie veranschaulicht tatsächlich meine Antwort auf Frage 5.
Mir gefällt die Vorstellung, dass Liebe dauerhafter sein kann und Hass ein vorübergehendes Gefühl. Aber ich denke auch, dass dies Wachstum und Transformation impliziert.
Es ist beeindruckend, dass Saladin Gibril und allem, was er repräsentierte, sogar vergibt.
Saladins Vater ist ein gutes Beispiel für innere Transformation:
Aber er [der Krebs] hatte auch seine Fehler getilgt, all das, was dominant, tyrannisch und grausam an ihm war, sodass der verschmitzte, liebevolle und brillante Mann wieder offen dalag, für alle sichtbar.
7. Wie gefällt euch die Struktur des Buches? War sie für euch zufriedenstellend? Was ist ihre Absicht?
M: Die Erzählstruktur ist recht komplex, das musste bei einem Buch wie diesem auch sein. Der Wechsel zwischen Träumen und "Wahrheit" war sehr lehrreich. Er erleichterte das Verständnis.
E: Das Hin und Her zwischen Gegenwart und Vergangenheit war für mich etwas verwirrend (obwohl ich es in vielen anderen Büchern mag). Und ich bin mir nicht sicher, was hier die Absicht ist.
Was die Träume angeht, habe ich versucht, mich beim Lesen zu erinnern. Okay, das ist Teil des Traums, aber es hat den Lesefluss unterbrochen, und letztendlich dachte ich, dass es vielleicht nicht so wichtig ist.
8. Fandet ihrdas Ende zufriedenstellend?
M: Ich war nicht unzufrieden damit. Ich hätte etwas mehr Verwirrung erwartet, da das ganze Buch immer unzusammenhängender wirkte.
E: Eigentlich war ich überrascht, dass die Hauptfiguren in ihr Land zurückkehrten, das hatte ich nicht erwartet. Aber ich finde es gut, dass Saladin eine zweite Chance bekommt und im Laufe des Buches stark gewachsen ist.
9. Was ist eurer Meinung nach die ultimative Botschaft des Autors?
M: Schwer zu sagen. Irgendwo habe ich gelesen, dass es nicht um den Islam, sondern um Einwanderer ging. Ich dachte, nur ich hätte das so gesehen, da ich die meiste Zeit meines Lebens Ausländerin war. Man neigt immer dazu, das zu sehen, was man selbst erlebt hat. Ich würde meinen, er möchte beide Themen behandeln. Und wahrscheinlich noch ein bisschen mehr.
E: Die menschliche Natur ist komplex, und es ist wichtig, nicht vorschnell zu urteilen. Lebenserfahrung ist komplex, kann aber bereichernd sein, wenn wir uns darauf einlassen, dem Fluss zu folgen. Dann können wir wachsen und eine erfüllende Transformation erleben.
Das ist die Botschaft, die ich persönlich verstanden habe, aber Rushdies Absicht war sicher eine andere. Ich dachte eigentlich, es ginge nicht um den Islam, und mir ist klar geworden, dass es tatsächlich mehr ist, als ich dachte.
Jedenfalls steht Rushdie jeder Religion sehr kritisch gegenüber. Gestern, als ich ein anderes Buch las, das nichts mit diesem zu tun hat, las ich, dass die Wurzel des Wortes "Heuchler" Schauspieler bedeutet. In diesem Buch gibt es viele Schauspieler. Und ich frage mich tatsächlich, ob Rushdie über den etymologischen Zusammenhang zwischen diesen Wörtern nachgedacht hat, als er beschloss, so viele Schauspieler einzubeziehen (abgesehen davon, dass er gern eine Karriere als Schauspieler gehabt hätte). Menschen, die Religion kritisieren, sprechen oft von Heuchelei, das ist mein Punkt hier, entschuldigt meine verworrene Betrachtung!
10. Hat das Buch eure Erwartungen erfüllt? Hat es euch gefallen, warum oder warum nicht?
M: Nachdem ich "Mitternachtskinder" (Midnight Children) gelesen hatte, erwartete ich eine anspruchsvolle Lektüre. Und viel Stoff zum Nachdenken. Und viele Anregungen und Diskussionsthemen. Das habe ich auch bekommen. Ich hätte mir noch mehr Kommentare gewünscht, hoffe aber, dass sie in Zukunft noch kommen.
E: Ich bin froh, endlich einen seiner großen Romane gelesen zu haben, und er hat mir gefallen. Ich fand ihn äußerst reichhaltig (zum Beispiel an kulturellen Bezügen, wenn ich sie mitbekommen habe!).
Gleichzeitig habe ich aber das Gefühl, dass ich den Inhalt kaum erschlossen habe, obwohl wir dank unserer Fragen sehr genau gelesen haben und ich mehrere Essays und Analysen gelesen habe! Das ist die Art von Buch (Umberto Ecos sind weitere gute Beispiele dafür), für die ich ein Semester Vorlesungen gut gebrauchen könnte!
Ich war etwas besorgt, was die religiösen Aspekte betraf, aber es hat mich nicht wirklich gestört (selbst die Szene mit der Party auf dem Meer basiert eher auf einem wahren Ereignis als auf einem biblischen).
11. Würdet ihr "Die Satanischen Verse" als gutes Beispiel für den Magischen Realismus bezeichnen?
M: Ja und nein. An manchen Stellen sind die Träume viel zu "fantastisch", an anderen verflechten sie sich zu sehr mit der Realität. Wir wechseln vom Seltsamen zum Alltäglichen, uns wird ein Spiegel unseres Lebens präsentiert.
E: Ich bin mir auch nicht sicher. Ich habe mehrere Bücher gelesen, die dem Magischen Realismus zugeordnet werden, aber ich sehe nicht nur die Gemeinsamkeiten. Für mich ist Murakami ein besserer Vertreter.
12. Gab es etwas, von dem ihr euch gewünscht hättet, dass es weiter behandelt wurde, obwohl das nicht passierte?
M: Das bezweifle ich. Gegen Ende gab es schon so viel zu verarbeiten, dass ich mir keine weiteren Themen gewünscht hätte.
E: Es wäre interessant gewesen, islamische Elemente stärker in den Szenen mit Bezug zur Gegenwart als in denen mit Bezug zur Vergangenheit (oder außerhalb von Träumen) zu behandeln, aber ich verstehe, dass das zu schwierig gewesen wäre!
13. Plant ihr, weitere Bücher von Rushdie zu lesen?
M: Die Erzählstruktur ist recht komplex, das musste bei einem Buch wie diesem auch sein. Der Wechsel zwischen Träumen und "Wahrheit" war sehr lehrreich. Das hat das Verständnis erleichtert.
E: Ich möchte unbedingt noch mehr seiner älteren Romane lesen. Oder vielleicht lese ich bald seine Memoiren "Joseph Anton" (Goodreads).
14. Wie fandest du unsere gemeinsame Leseerfahrung? Würdest du das gerne wiederholen?
M: Ich würde es auf jeden Fall gerne wieder tun. Vielleicht war der November kein guter Monat für ein so schweres Buch, deshalb hatten wir nicht viele Kommentare. Aber allein der Gedankenaustausch, Emmas und meine, hat das Leseerlebnis enorm bereichert. Das war toll!
E: Marianne, ich bin sehr dankbar, dass du dich bereit erklärt hast, dieses anspruchsvolle Buch mit mir zu lesen. Obwohl mir das Buch gefallen hat, hätte ich es ohne den Plan vielleicht etwas verschleppt und vielleicht sogar nicht zu Ende gelesen, wegen seiner Komplexität und der Zeit, die ich investieren musste, um es besser zu verstehen.
Danke für deine Fragen, die mich dazu animiert haben, tiefer einzusteigen, und für deine Antworten, die mich oft dazu gebracht haben, die Dinge anders zu betrachten.
Ja, mein Fehler, den November vorzuschlagen!
Sag Bescheid, wenn du das nächstes Jahr mit einem anderen Buch in einem einfacheren Monat wiederholen möchtest!
Buchbeschreibung:
"Über der englischen Küste wird ein Flugzeug in die Luft gesprengt. Die einzigen Überlebenden dieses Terroranschlags sind Gibril Farishta und Saladin Chamcha, zwei indische Schauspieler, die buchstäblich vom Himmel fallen und wie durch ein Wunder unversehrt bleiben. Doch nach dem Absturz gehen seltsame Dinge mit ihnen vor: Der Muslim Gibril zeigt immer mehr Ähnlichkeit mit dem Erzengel Gabriel, während sich Saladin, der stets seine Herkunft verleugnete, zu einem Abbild des Teufels entwickelt. Doch das ist erst der Beginn einer überwältigenden Odysee zwischen Gut und Böse, zwischen Fantasie und Realität."
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(Die Seitenangaben beziehen sich auf die englische Version. Ebenso sind die meisten Zitate der englischen Version entnommen und von mir ins Deutsche übersetzt.)
Salman Rushdie hat 2023 den Friedenspreis des deutschen Buchhandels erhalten.